Predigt am 12.03.2023 (Okuli) in Farchant und Partenkirchen

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Liebe und Verrat, Schmerz und Heilung, Kämpfen und Aufgeben, Gewalt, Macht, Schicksal, Dunkelheit und am Ende doch eine Ahnung davon, dass das noch nicht das Ende ist. Das, liebe Gemeinde, ist der Stoff, aus dem gute Geschichten sind, spannende Dramen, Filme, die uns packen. Der Sonntag „Okuli“ ist heute, benannt nach einem Wort im Psalm: Meine Augen sehen stets auf den Herrn (Ps 25,15). An diesem „Augensonntag“ geht es also darum, auf Christus zu schauen, ihn und seine Bedeutung für uns neu zu sehen. Folgerichtig führt uns der Predigttext eine Szene vor Augen, die schon tausendmal geschildert, gemalt und verfilmt worden ist. Eine dramatische Szene aus der Passionsgeschichte Jesu, die Sie alle kennen. Ein innerer Film läuft in uns ab, wenn wir die Worte aus dem Lukasevangelium hören. Ich lese aus dem 22. Kapitel die Verse 47 bis 53: 

Als Jesus aber noch redete, siehe, da kam eine Schar;

und einer von den Zwölfen, der mit dem Namen Judas, ging vor ihnen her

und nahte sich Jesus, um ihn zu küssen. 

Jesus aber sprach zu ihm: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? 

Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: 

Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? 

Und einer von ihnen schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters

und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. 

Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! 

Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. 

Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels

und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: 

Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen? 

Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, 

und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. 

Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

Nach der langen Nacht in Getsemane hat diese Morgenstund weiß Gott kein Gold im Mund, sondern vielmehr den bitteren Geschmack von Verrat, Feigheit und Willkür. Es ist der letzte Moment, den die Jünger Jesu mit ihrem Freund und Meister teilen. Es sind die letzten Worte, die sie von Jesus in Freiheit hören, ehe ihm kurzer Prozess gemacht und er ans Kreuz geschlagen wird. Letzte Worte, liebe Gemeinde, haben es in sich. Die vergisst man nicht so schnell. Sie bekommen im Nachhinein oftmals besonderes Gewicht.

Schauen wir uns also die drei Worte Jesu genau an. An seinen Verräter, an seine Jünger und an seine Verfolger richten sie sich. Als hätte Jesus in der Stunde seiner Gefangennahme nochmal das ganze breite menschliche Spektrum im Blick. Aber der Reihe nach:

Judas, einer seiner zwölf engsten Vertrauten, lag schon länger im Clinch mit Jesus. Sie waren sich uneinig über vieles: Den Umgang mit Frauen, mit Sündern, mit der römischen Besatzungsmacht. Immer wieder unterschiedliche Einschätzungen. Immer wieder Konflikte. Und irgendwann hatte Judas die Seiten gewechselt. Lukas, der Evangelist, schreibt am Anfang seines 22. Kapitels den Satz: Es fuhr aber der Satan in Judas (Lk 22,3). Ja, das kann einem schon so vorkommen, wenn ein Mensch plötzlich ganz anders tickt, sich entfernt vom bisherigen Freundeskreis, plötzlich extreme Ansichten vertritt und anfängt, radikal zu denken und zu handeln. „In den ist der Teufel gefahren“, heißt es dann. Weil man es sich nicht anders erklären kann, dass ein Mensch so wird. Irgendetwas Böses von außen muss ihn beeinflusst und am Ende gepackt haben. Und so geht Judas zu den Priestern und verrät ihnen, wo sie Jesus abseits vom Volk unauffällig finden und im Stillen verhaften können. Die ausführenden Schergen kennen Jesus gar nicht. Deshalb wird ein Zeichen vereinbart, damit auch sicher der Richtige verhaftet wird. Ausgerechnet ein Kuss. Philema heißt Kuss auf Griechisch. Darin steckt das Wort philia, das meint Liebe oder Freundschaft zu jemandem oder zu etwas (Philosophie, Philologie). Es ist nicht Liebe im erotischen Sinn, sondern Ausdruck eines tiefen Interesses, einer Verbindung, einer Verehrung. Sich aus so einer Haltung heraus zu küssen, zur Begrüßung oder als Zeichen des Friedens, war damals üblich unter Männern. Sie erinnern sich vielleicht an das berühmte Foto des Bruderkusses zwischen Breschnew und Honecker? So ähnlich muss man sich vermutlich auch den Kuss zwischen Judas und Jesus vorstellen. 

Jesus aber durchschaut, dass dieser Kuss das Gegenteil ist von Brüderlichkeit, Verehrung, Gleichgesinntheit, Freundschaft oder gar Liebe. Das schöne, intime Zeichen inniger Zuneigung wird hier brutal missbraucht. So wie es leider immer wieder geschehen ist: Missbrauch im Zentrum der Religion.

Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? fragt Jesus. Als Menschensohn hat er sich ja oft bezeichnet – ganz in der Tradition des jüdischen Denkens: Der Mensch ist Kind Gottes und zugleich Kind seiner Eltern, durch und durch Mensch – und zugleich verbunden mit seinem Schöpfer. Der kommende Menschensohn am Ende aller Tage war eine Vorstellung, die die Menschen getragen und getröstet hat, gerade in schweren Zeiten. Mensch sein – und dennoch wissen, dass das Menschsein noch nicht alles ist und da noch etwas Großes kommt. Das etwa schwingt mit in diesem Wort Menschensohn.

Doch warum fragt Jesus nun eigentlich: Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss? Er weiß es doch schon, dass es so ist. Warum dann eigentlich die Frage?

Eine Frage öffnet. Sie fordert den Gefragten heraus, eine Antwort zu finden. Eine Frage verurteilt nicht, sie bewertet nicht einmal. Eine Frage ist einfach eine Frage.

Das letzte Wort Jesu an Judas, seinen Verräter, öffnet. Vielleicht öffnet sie ja sogar das Herz des Judas, dass der „Teufel“ wieder herausfahren kann: alles Böse, Gehässige, Hinterfotzige, Gemeine, Verhärtete. Die Frage, stelle ich mir vor, wird Judas nachgegangen sein und ihn beschäftigt haben: „Warum hab ich das nur getan?!“ Wir wissen, was später geschehen ist: Judas hat sich das Leben genommen. Aggressiv gegen sich selbst, zu tiefst verzweifelt, ohne eine Zukunftsperspektive nahm er sich den Strick und machte ein Ende mit den unglücklichen Verstrickungen seines Lebens.

Auch das ist Leben, liebe Gemeinde. Auch das gehört dazu zu mancher Passionsgeschichte. Und es gehört zum Schwersten, wenn man in einer Familie oder einem Freundeskreis zurechtkommen muss mit einem Suizid. An dieser Stelle schweife ich bewusst kurz ab von unserem Bibeltext und nehme sie kurz mit an einen Ort, den ich als sehr tröstlich empfinde: 

In die Kirche St. Georg. Sie liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße in Ochsenhausen im Landkreis Biberach. Wer da reinkommt, staunt nicht schlecht: Da hat der Künstler Gaspare Mola vor rund 300 Jahren im Langhaus der Kirche alle Apostel Jesu dargestellt. Einer davon trägt als Attribute einen Geldbeutel und einen Strick: Es ist Judas. Er ist hier nicht, wie sonst immer, ersetzt worden durch seinen Nachfolger Matthias. Nein, der Verräter, der Selbstmörder, steht mitten unter den anderen Jüngern, hat ebenfalls seinen Platz in der Kirche und – man staune – trägt genau wie alle anderen Jünger einen Heiligenschein. Das Böse, die Verzweiflung, das Schmerzliche, ist hier nicht abgespalten, muss nicht als Projektionsfläche für Hass oder gar Antisemitismus herhalten, sondern ist integriert in die Kirche. Der Verzweifelte, Gescheiterte, der Looser bleibt dennoch Jünger, geheiligt, geachtet und geehrt. Das ist sehr beeindruckend zu sehen. Und hätte Jesus sicherlich gut gefallen. Auch er hat Judas ja nicht verurteilt. Sein letztes Wort an den Verräter ist die offene Frage.

Damit wieder zurück zu unserem Text: Das zweite Wort Jesu richtet sich an seine Jünger. Als sie zu kämpfen beginnen, einer von ihnen einen Knecht am Ohr verletzt, weist Jesus sie klar in die Schranken: Lasst ab! Nicht weiter! So sein klarer Befehl. Im Matthäusevangelium wird sogar noch ergänzt: Wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen! (Mt 26,52). Das ist die letzte Botschaft Jesu an seinen Jüngerkreis: Stopp! Keine Gewalt! Kein Kampf! Niemanden verletzen. Durch eine Berührung heilt Jesus nun sogar die Wunde des Verletzten. Erste Hilfe, letzte Hilfe. Die letzte Heilung Jesu im Evangelium gilt genau dem Knecht, der ihn gleich ergreifen, abführen und ausliefern wird. Was für eine Botschaft steckt da drin, liebe Gemeinde! Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen. So hatte es Jesus gefordert in der Bergpredigt. Jetzt, in der dramatischen Situation seiner Gefangennahme, macht er nun vor, wie das geht. Ist das feige? Naiv? Ein vorschnelles Aufgeben? Angst, zu kämpfen? Oder ist es am Ende das Wissen: Ihr könnt zwar Gewalt anrichten, meinen Körper auslöschen, alles zerstören – aber mich, meine Seele, meine Ideen, mein Leben, habt ihr am Ende nicht in der Hand.

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unseren Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine!

Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 singen wir dieses fast 500 Jahre alte Friedenslied Martin Luthers wieder häufig am Ende des Gottesdienstes. Da schwingt das Wissen mit: Niemals können wir Menschen allein letztlich den Frieden schaffen. Allein der Geist Gottes kann das tun. Tröstlich in Zeiten, in denen wir alle vor dem Dilemma stehen: Waffen liefern oder nicht? Aufrüsten oder verhandeln? Kämpfen oder sich auf Kompromisse einlassen? Niemand hat vermutlich eine letztgültige Antwort. Nur eines gilt: Aufhören zu beten dürfen wir nicht!

Am Ende wendet sich Jesus beinahe verwundert an die, die ihn gefangen nehmen:

Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen?

Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen, und ihr habt nicht Hand an mich gelegt.

Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

Ja, eine finstere Stunde. Die Freiheit Jesu ist ab jetzt verloren. Er wird gefesselt, bewacht, verhöhnt, verlacht, verhört, gequält, verurteilt und ans Kreuz geschlagen um einen elenden, extrem qualvollen Tod zu sterben. Einen Tod, wie ihn Schwerverbrecher, politische Aufrührer und Staatsfeinde sterben mussten. Doch nicht einmal seine Richter und Folterknechte verurteilt Jesus. Er weiß, sie sind alle nur Handlanger der Finsternis, Werkzeuge des Bösen. Und vielleicht braucht Gott diese Werkzeuge, damit am Ende alles Böse überwunden werden kann.

Vor gut achtzig Jahren, am 23. Februar 1943, wurden Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst im Gefängnis Stadelheim in München ermordet. Wer die Prozessaufzeichnungen liest oder den Bericht des Seelsorgers Karl Alt, findet da eine ähnliche Haltung wie bei der Verhaftung Jesu: Gewaltlos, ohne Panik, ohne Verurteilungen. Pfarrer Alt hat mit Sophie noch Abendmahl gefeiert, bis der Wächter an die Zellentür pochte und sie zur Hinrichtung abholte. „Sie richtete aufrecht und ohne mit der Wimper zu zucken noch ihre letzten Grüße an den ihr unmittelbar folgenden innigst geliebten Bruder aus.“ So schreibt der Pfarrer. Auch da: keine Vorwürfe, keine Beschuldigungen. Nur ein Gruß. Nur Liebe am Ende.

Wie gut, liebe Gemeinde, dass es solche aufrechten Menschen gegeben hat. Nur so kann das Böse überwunden werden und Versöhnung wachsen. Ja, die Finsternis ist mächtig. Auch heute. Aber niemals ist sie allmächtig. Niemals wird sie das letzte Wort behalten. Niemals werden Angst, Qual und Tod am Ende siegen. Dafür ist für uns Christen das Kreuz das tiefste Symbol. Wir hängen es ja nicht auf in unseren Kirchen, weil wir Lust haben an der Qual oder am Anblick eines Gefolterten. Wir hängen es auf, weil wir wissen: Ja, es gibt Leid, Finsternis, Bosheit und Fanatismus. Wir müssen dem ins Auge sehen. Wir haben die Kraft dazu, weil wir wissen: Die Liebe Gottes ist am Ende größer. Meine Augen sehen stets auf den Herrn. Auf seinen Schmerz – am Ende aber auch auf seinen Sieg – Gott sei Dank. Und sein Friede, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfrn. Uli Wilhelm, Predigt über Lukas 22,47-53 am Sonntag Okuli in der Markuskirche zu Farchant und der Johanneskirche zu Partenkirchen

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Predigttext: Phil 2,5–11


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Vor ein paar Jahren war sie „Blume des Jahres“. Mich freut sie in jedem Frühjahr von neuem, wenn sie golden unsere Wiesen ziert: Die Schlüsselblume. Ihr lateinischer Name „Primula veris“, die erste der Primeln, verweist auf die frühe Blühzeit des Wiesenbewohners. Golden stehen ihre Blüten auf einem kräftigen Stiel wie der Bart eines Schlüssels. Zusammen sehen die Gewächse aus wie ein Schlüsselbund. Der Volksmund nennt sie deshalb „Himmelsschlüssel“. Der Legende nach hat Petrus einmal seinen Himmelsschlüssel verloren.

Predigt am 12.03.2023 (Okuli) in Farchant und Partenkirchen

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Pfarrerin Uli Wilhelm
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„Aus den Augen, aus dem Sinn“, heißt es. Stimmt schon: Bilder haben einen großen Einfluss. Ob Fotos, Filme oder manche Kunstwerke – Bilder bleiben uns oftmals besser im Gedächtnis als Worte. Sie berühren unsere Sinne. Überall verstehen Menschen die Sprache der Bilder. Ein lachendes oder ein weinendes Gesicht, eine strahlend helle oder eine bedrohlich dunkle Stimmung – solche Bilder sind über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg verständlich.

Narrenpredigt 2023

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Liabe Gemeinde, schaugts mi o:
Mit oam Arm steh i heuer do!
Da ander hängt, des is fei dumm,
nur passiv in da Schlinga rum.
Er braucht jetzt unbedingt sei Ruah,
sonst heilt da Bruch am End ned zua.
Des is fei scho a bissl Käse:
Heier is‘ nix mit Polonaise,
mit Tanzn und mit Maschkera.
Doch immerhin: Ihr seid’s ja da.
Und s‘ Mundwerk von da Pfarrerin,
des is ja schließlich no ned hin.
Wia des passiert is, möchts ihr wissen?
Beim Schifahrn hoid, da hat’s mi gschmissn.
Des hätt ma friara gor nix gmacht,

ANgeDACHT - Valentinstag

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

„14. Februar – Valentinstag!“ An jedem Blumengeschäft prangen derzeit rote Herzen mit dieser Aufschrift. Sie wollen uns erinnern: Das ist der Tag der Liebenden. Vergiss nicht, auch deinem oder deiner Liebsten eine Freude zu machen. Was ist aber – neben aller Geschäftemacherei - eigentlich dran an diesem viel beworbenen Tag?

ANgeDACHT - Dankbarkeit

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

"Macht vierzehn Euro sechzig", raunzt die Frau an der Supermarkt-Kasse mich an. Als ich ihr das Geld reiche, sagt sie keinen Ton. Ein paar Tage später bin ich wieder da. Jetzt sitzt eine andere Kassiererin da.

"Einundzwanzig fünfzig, bitte", sagt sie und "Danke!" als ich ihr das Geld gebe. Und dann verabschiedet sie mich mit einem Lächeln. Was für ein Unterschied! Um wieviel lieber habe ich heute hier eingekauft. Was ein bisschen Freundlichkeit und ein Dankeschön doch ausmachen, denke ich, und gehe viel beschwingter heim.

Du bist ein Gott, der mich sieht

Der Heilige Geist - Ausschnitt aus einem Kirchenfenster der Johanneskirche zu Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde, wenn Sie dem zurückliegenden Jahr 2022 ein Motto geben könnten, wie lautete das wohl? Für viele von uns war es kein einfaches Jahr. Der Krieg, knappe Ressourcen, Klimawandel, Artensterben, politische Radikalisierung und Spaltung unserer Gesellschaft. Und dazu manche Sorge und mancher Konflikt im eigenen kleinen Leben. Manchmal ist es schwer, das alles auszuhalten, ohne schwermütig zu werden. Unser Blick zurück auf das zu Ende gehende Jahr prägt ja auch unsere Aussicht auf das Kommende. Jede versuchte Antwort ruft neue Fragen auf den Plan.

ANgeDACHT - FOBO?

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Wissen Sie, was FOBO ist? So hat die New York Times ein Phänomen getauft, das heutzutage immer mehr Menschen zu schaffen macht: Fear of better options, die Furcht vor besseren Möglichkeiten. In der Flut der vielen Optionen können Menschen sich nicht mehr entscheiden, wie sie sich verhalten sollen. Sie haben Angst, irgendetwas Wichtiges übersehen oder nicht lange genug auf die ideale Möglichkeit gewartet zu haben. Sogar nach der Entscheidung suchen sie weiter.

Predigt zum Volkstrauertag 2022

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Liebe Gemeinde! Volkstrauertag 2022. Wir gedenken heute der Opfer von Kriegen und Gewalt. Nicht nur der Opfer, die auf unseren deutschen Kriegsdenkmälern stehen, sondern auch der Opfer anderer Kriege. Der Unterschied heuer: Der Krieg ist nahe gerückt, seit dem 24. Februar. Seit Russland die Ukraine überfallen hat, herrschen mitten in Europa herrschen wieder Terror, Angst, Zerstörung, Gewalt. Täglich zeigt der Krieg seine hässliche Fratze. Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine gehen uns nahe. Manchmal so, dass man sie kaum mehr erträgt. Aber was tun?

ANgeDACHT - Give Peace a Chance! Gebt dem Frieden eine Chance!

Mahnwache am Bischofseck - 2022
Bildrechte Uli Wilhelm

John Lennon hat das 1969 gefordert. Sein Lied fällt mir manchmal ein, wenn ich in Garmisch die Kriegergedächtniskapelle besuche oder in Partenkirchen nach St. Anton hinaufsteige: Da blicken einen viele junge Gesichter an, manche sind noch halbe Kinder. Es sind Fotos der Soldaten aus unserem Ort, die nicht mehr zurückgekehrt sind aus dem Krieg. „Gefallene“ nennt man sie beschönigend. In Wirklichkeit sind sie verblutet, wurden ermordet, zerfetzt, hingemetzelt – für die abstruse Idee eines „Deutschland über alles“.

Seelenbalsam

Himmel über Garmisch-Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde, „Krisen, Krieg und Katastrophen – mit diesem Dreiklang lässt sich wohl am ehesten die gegenwärtige (welt-)politische Lage umschreiben. Schon die Pandemie hat wie in einem Brennglas Unwuchten und Handlungsbedarfe offengelegt, die vielfach schon davor vorhanden waren. All das verschärft sich gerade durch die multiplen Krisen dieser Zeit, was bei vielen zu Ohnmachtserfahrungen, Kurzatmigkeit und Verdrängungsprozessen führt. Wir alle brauchen Balsam für die Seele.“

ANgeDACHT - Tragfähige Brücken

Pfarrerin Uli Wilhelm
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Früher, so hört man manchmal, sei alles besser gewesen. Das mag für manche Dinge stimmen – für die Ökumene sicher nicht. Die blüht und wächst weltweit, auch bei uns in Garmisch-Partenkirchen. In diesen Tagen bereiten wir auch heuer wieder ökumenische Gottesdienste für den Reformationstag und den Buß- und Bettag vor. Wir freuen uns darauf! Nicht immer haben unsere Kirchen freilich so gut zusammengearbeitet. Das weiß ich aus der eigenen Familiengeschichte:

ANgeDACHT - Der HERR ist meines Lebens Kraft

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

„Ehrlich gesagt, mir graut vor dem neuen Schuljahr“, klagt die Lehrerin. Etliche Kollegenstellen konnten nicht besetzt werden, sie wird viel vertreten müssen. Dabei braucht sie doch schon viel Extra-Energie, Zeit und Geduld für die ukrainischen Kinder, die jetzt neu in der Klasse sitzen.

„Mir graut vor dem Winter“, sagt ein Mann, der nicht gerade einen dicken Geldbeutel besitzt. „Wenn die Energiepreise weiter steigen, kann ich meine Nebenkosten nimmer stemmen. Was soll dann werden?!“

Ruhe nach dem Sturm. Von göttlichen Berg-Momenten der Stille

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Liebe Gemeinde, es gibt Augenblicke, die werden uns zu inneren Schätzen. Von denen zehren wir noch lang. Erlebnisse in den Bergen gehören für mich dazu. Ein Sonnenaufgang während eines Aufstiegs zum Beispiel. Ganz langsam wird der Himmel im Osten heller, ein zartes Grau zuerst, eine erste Ahnung davon, dass die Dunkelheit nicht ewig dauert, dann ein tiefes Lila, später flammendes Rot, leuchtendes Orange - und endlich spitzt die Sonne wie ein riesiger funkelnder Diamant hinterm Horizont hervor.

Vom Wert des Loslassens: Glaube und Gelassenheit als Lebenskunst

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Das kleine Mädchen steht da, die Hand seiner Mama fest umklammert. Da drüben sitzt Papa. Er lockt: „Komm her zu mir. Trau dich. Los!“ Mama bewegt sich nicht. Da lässt die Kleine ihre Hand los. Wackelig und ein wenig taumelnd stürzt sie schwankend auf ihren Vater zu. Der fängt sie lachend auf. Das Wunder ist geschehen: Das kleine Menschlein hat seine ersten selbständigen Schritte gemacht!

ANgeDACHT - Kostbar wie ein wunderbares Kirchenfenster

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Im Urlaub waren wir heuer in Burgund im Herzen Frankreichs. In seiner hügeligen Landschaft verbergen sich wunderschöne Orte mit großartigen, teilweise uralten Kirchen. Für die Stadt Auxerre verspricht unser Reiseführer etwas Besonderes: In der Abtei Saint Germain gibt es eine Kirche, deren Wurzeln bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen, mit einer Krypta aus Karolingischer Zeit. Die wollen wir sehen. Doch wir staunen nicht schlecht, als wir an einer Kasse Eintritt bezahlen müssen.

ANgeDACHT - Nebel leben

Spiegelglatt liegt das Wasser im Raum, der in grünes Licht getaucht ist. Auf Holzstegen bewegen sich die Menschen langsam vorwärts. Plötzlich ertönt ein Zischen: aus zahlreichen feinen Düsen wird mit hohem Druck Wasser gepresst. Nebel entsteht. Er hüllt die Menschen ein, zuerst ganz, dann sinkt er ab. Jetzt ragen nur noch die Köpfe der Leute aus dem Nebel. Wie eine vielköpfige grüne Raupe sieht das aus. Ich selbst werde Teil dieser Nebelskulptur. Und staune über die Ideen der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya.

Bewegen und Segen - Warum wir gerne dabei sind

Bewegen & Segen
Bildrechte Uli Wilhelm

Einmal monatlich treffen wir uns, um gemeinsam in der Natur unterwegs zu sein. Geistliche Impulse, Gedankenaustausch, Schweigen und Begegnung wechseln sich dabei ab. Die Gehzeit beträgt ca.anderthalb Stunden. Auch Ungeübte sind willkommen. Selbstverständlich halten wir die Corona-Regeln ein.

Wir haben Menschen gefragt, was ihnen an der Veranstaltung gefällt.

Was für eine Geschichte, diese Ostergeschichte!

Pfauenauge in der Erlöserkirche zu Grainau
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde! Haben Sie den letzten Satz aus der Ostergeschichte gehört? Die Frauen sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. Das erste Ostern war also erst mal offenbar gar nichts besonders Tolles. Ein Ereignis zum Fürchten eher. Den Frauen ist es unheimlich, dass der tote Jesus nicht mehr im Grab liegt. Das kann, das darf doch nicht wahr sein! Und dann dieser seltsame weiß gekleidete Jüngling, der etwas daherredet von Auferstehung?! Das ist schon was zum Zittern und Entsetzen!

Dieser anarchische, wilde Glaube

Als ich einer alten Dame die Hand reiche und „Frohe Ostern“ wünsche, sieht sie mich kritisch an: „Wie kann dieses Ostern froh sein, wo doch wieder Krieg herrscht in Europa?!“ schleudert sie mir entgegen und erzählt, wie sehr die Bilder aus der Ukraine sie belasten und deprimieren. Längst verschüttete Kindheitserinnerungen werden wach: an zerbombte Städte, verzweifelte Menschen, Todesangst im Bunker. Was in unserem Land so lang zurück liegt, ist in Kiew und Charkiw bittere Realität. Tag für Tag. Auch an diesem Osterfest. Die Dame hat recht: Das ist alles andere als froh.

Ostern: Gottes neuer Weg

Der auferstandene Jesus in der Johanneskirche (Ausschnitt aus einem Kirchenfenster)
Bildrechte Martin Dubberke

„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!“ So endet manches Märchen. Als Kind schon haben wir gelernt: Wer gestorben ist, lebt nimmer. Tot ist tot. Mit dem Tod ist alles aus und vorbei. Da gibt es kein Zurück mehr. Das ist eine felsenfeste, unumstößliche Wahrheit. Punkt.

Themenpredigt - Maria Magdalena

Liebe Gemeinde! Eine Frau ändert ihr Leben. Das bisherige Spiel spielt sie nicht mehr mit. Couragiert tut sie, was ihr niemand zugetraut hätte. Nicht nur ihren guten Ruf setzt sie aufs Spiel, sondern ihr Leben. Denn es geht ihr um die Wahrheit. Und um Wahrhaftigkeit. Sie muss tun, was sie tut. Das macht sie berühmt, auf der ganzen Welt und lässt sie zum Vorbild für viele werden.

Von wem spreche ich? Erraten Sie es?

ANgeDACHT - Teilmächtig

Seit über drei Wochen herrscht nun schon Krieg in Europa. Die Bilder und Berichte, die uns aus der Ukraine erreichen, verstören und entsetzen uns täglich aufs Neue. Auf die Frage „Wie geht’s?“, kann kaum mehr jemand mit „gut“ antworten. Wie soll es einem gut gehen, wenn Menschen derart leiden müssen? Berechtigt ist die Sorge vor weiterer Eskalation. Angst macht sich breit. Mitunter fühlen wir uns wie das Kaninchen vor der Schlange: schockiert, erstarrt, ohnmächtig und unfähig, noch irgendetwas Vernünftiges zu tun.

ANgeDACHT - Stern über Bethlehem

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. (Jesaja 9,1)

Diese Verheißung des Propheten Jesaja gefällt mir. Am Ende des zweiten Pandemiejahres leiden manche unter Blindheit, Verblendung, seelischer Dunkelheit oder finsteren Machenschaften. Verschwörungstheorien, Hass und Aufrufe zur Gewalt erschrecken Menschen guten Willens. Der Friede in unserer Gesellschaft ist fragil geworden. Risse gehen mitten durch Familien.

ANgeDACHT - Herbstsegen

Was für ein Herbst! In allen Farben leuchten die Bäume. Im Wald entdecke ich knallrote Hagebutten und letzte Pilze, im Garten kugeln glänzende Kastanien herum. Eine Zeit der Fülle, der Düfte, Farben und Geschmäcker. „Herbst“ und das englische Wort „harvest“ hängen sprachlich zusammen: Der Herbst ist die Zeit der Ernte.

ANgeDACHT - Erntedank einer Bergsteigerin

"Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert", dichtet Lothar Zenetti, "für den Sonnenschein und das Rauschen der Blätter, die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen, für den Schnee und den Wind, den Vogelgesang und das Gras und die Schmetterlinge, für die Luft, die wir geatmet haben, und den Blick auf die Sterne und für all die Tage, die Abende und Nächte. Einmal wird es Zeit, dass wir aufbrechen und bezahlen. Bitte die Rechnung. Doch wir haben Sie ohne den Wirt gemacht: Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht, soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen!"

ANgeDACHT - Freiräume

„Schönheit entfaltet sich nur im freien Raum. Nur im freien Raum sind Ereignisse, Gegenstände und Menschen unwiederholbar, unersetzlich und bedeutungsvoll – und deshalb auch schön. Ein Baum wird bedeutungsvoll, wenn man ihn vor der leeren Fläche des Himmels betrachtet. Ein Ton in einem Musikstück gewinnt an Bedeutung, wenn er zwischen zwei tonlosen Pausen steht. Eine Kerzenflamme blüht im Raum der Nacht …“ (aus: Anne Morrow Lindbergh, Muscheln).

DER BERG RUFT - Forum Berge und Religion

Wankkreuz
Bildrechte Uli Wilhelm

Das Werdenfelser Land ist als Teil der Alpenregion ein paradiesischer Fleck auf dieser Erde. Tausende Menschen wissen dies zu schätzen. Nicht nur jene, die hier leben und arbeiten, sondern auch die vielen Skifahrer, Bergsteiger, Kletterer, Mountainbiker und Wanderer, die nach Garmisch-Partenkirchen und Umgebung kommen, um hier die Natur zu genießen, Bergsport zu treiben, sich zu entspannen und zu erholen.

ANGeDACHT - Das Prinzip Hoffnung

„Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht warum und von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter, so ist er Furcht. Einmal zog einer weit hinaus, das Fürchten zu lernen. Das gelang in der eben vergangenen Zeit leichter und näher, diese Kunst ward entsetzlich beherrscht. Doch nun wird … ein uns gemäßeres Gefühl fällig. Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“ 

ANgeDACHT - Grün ist die Hoffnung

Was für ein Grün! Die Farbe der Buchenblätter im Frühsommer begeistert mich. Als hätte jemand die Natur mit einem grünen Leuchtstift koloriert. Grün ist Wachstum und Leben, Kraft und Energie. Das spüren Menschen aller Zeiten und Kulturen: Hildegard von Bingen sprach schon im 12. Jahrhundert von der heilsamen „Grünkraft“. In Japan werden Menschen auf Krankenkassen-Kosten zum „Waldbaden“ geschickt. Wenn ich in meiner Freizeit rausgehe „ins Grüne“, ist das für mich eine Zeit bewusster Erholung.