Eine alte Indianerin saß mit ihrer Enkelin am Lagerfeuer. Es war dunkel geworden, das Feuer knackte, die Flammen züngelten zum Himmel. Nach einer Weile sagte die Alte: „Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere ist liebevoll, sanft und mitfühlend.“ „Welcher der beiden wird den Kampf in deinem Herzen gewinnen?“, fragte das Mädchen. Bedächtig antwortete die Alte: „Der, den ich füttere.“
Diese Geschichte gefällt mir. Niemand ist machtlos seinen Gefühlen ausgeliefert. Wir können uns entscheiden, welchen Wolf wir füttern. Klar, ohne Konflikte und negative Gefühle kommt niemand durchs Leben. Manche Nachricht, manche Äußerung in den sozialen Medien, manche Bemerkung oder manches Verhalten eines anderen Menschen ärgert mich oder regt mich ungeheuer auf. Aber sofort lospoltern, zurückschlagen und die Stimmung vergiften? Das ist keine Lösung. Lieber nochmal durchschnaufen. Überlegen, warum der oder die andere wohl so handelt oder redet. Und dann mit ein bisschen Abstand, Ruhe und vielleicht sogar einer Portion Humor das Gespräch suchen. So lässt sich der liebevolle Wolf in uns füttern. „Liebe üben“ heißt es deshalb wohl, weil wir das tatsächlich immer wieder neu einüben müssen. Übrigens, Jesus hat das auch geraten. Er hat gesagt: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen“ (Matthäus 5,44). Einfach ist das nicht. Aber ein perfektes Mittel zur Deeskalation. Probieren Sie’s doch mal aus, wenn Sie sich das nächste Mal so richtig ärgern.
Ihre Pfarrerin Uli Wilhelm
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06.10.2024 19. Sonntag nach Trinitatis
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