Noch einmal neu anfangen

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Noch einmal neu anfangen, mitten im Leben ganz neu beginnen, das wär's! Die Weichen neu stellen. Eine andere, mutige Richtung einschlagen. Sich nicht mehr dem Druck von allem möglichen beugen, sondern leben, aufrecht und frei. Konstantin Wecker hat darüber ein Lied geschrieben. Darin heißt es:

Jetzt möcht i oamoi, oamoi ganz von vorn ofanga,
Liabn und laut sei und mi beschwern.
I bin doch oiwei bloß am Bandl ghanga,
Jetzt misch i mit, jetzt möcht i plärrn.

In der Geschichte aus dem Johannesevangelium, die wir vorhin gehört haben geht es genau darum: Neu anfangen. Es ist ja ein seltsames Gespräch, von dem da berichtet wird. Einer kommt zu Jesus, mitten in der Nacht. Und sofort fängt Jesus an, von neuer Geburt zu reden und vom Geist Gottes. Ein hochtheologisches Thema - in wenigen Sätzen angerissen. Ob Nikodemus wirklich verstanden hat, worum es geht? Ob wir es verstanden haben?

Der Reihe nach. Nikodemus kommt in der Nacht zu Jesus. Die Nacht, das ist für viele eine Zeit, in der man sich leichter aufs Wesentliche konzentrieren kann. Tagsüber geht vieles unter im hektischen Alltagsleben. Eindrücke, Geräusche, Begegnungen lenken uns ab. Nachts freilich, wenn es still geworden ist und dunkel, kann aus unserem Unterbewusstsein Verborgenes auftauchen. Nachts wird so manches Problem in ein anderes Licht gerückt. Ein Gedanke breitet sich aus, beschäftigt einen, macht einen unruhig. An Schlaf ist nicht mehr zu denken.

Nikodemus ist ein angesehener, bekannter Jerusalemer Pharisäer. Als Mitglied des Hohen Rates trägt er viel Verantwortung. Er scheint ein unangefochtenes, stabiles und gut situiertes Leben zu führen und alle meinen: "Der hat seine Fragen gelöst, der hat sein Leben im Griff, der weiß, was er will!". Doch genau dieser Mensch wird offenbar umgetrieben von einer Frage, die ihn nicht loslässt. Es ist die Frage nach Gott. Die bohrt in ihm. Darüber grübelt er, wenn die Geschäfte des Tages vorüber sind. Wer ist dieser Gott wirklich? Wie kann ich Zugang, echten persönlichen Zugang zu ihm bekommen, wie ihn spüren? Jesus, der Umstrittene, behauptet, ihn zu kennen und ihm nahe zu sein!

So macht sich Nikodemus auf den Weg. Er sucht das Gespräch, sucht Klärung, sucht die Nähe Jesu. Heimlich still und leise schleicht er sich zu ihm, im Dunkeln. Denn er möchte nicht, dass man ihn sieht. Es wäre doch peinlich, wenn es aufkäme, dass er, der bekannte Nikodemus, bei diesem umstrittenen Rabbi aus Galiläa Antworten sucht. Nein, in seiner Position kann er es sich nicht erlauben, sich öffentlich zu Jesus zu stellen.

Jesus nimmt sich trotz der fortgeschrittenen Stunde Zeit für den späten Gast. Vielleicht hat er gemerkt, wie dringend Nikodemus reden muss. Gute Seelsorger spüren, wann man einen Menschen nicht wegschicken darf, gerade wenn dieser Mensch zu einer unmöglichen Zeit das Gespräch sucht.

"Wenn jemand nicht von neuem geboren wird", sagt Jesus, "kann er das Reich Gottes nicht sehen." Das ist wahrhaftig nicht leicht zu begreifen. "Wie kann das geschehen?", fragt Nikodemus. "Wie kann ein erwachsener Mensch noch einmal geboren werden?" Zurück in den Mutterleib, das Rad der Zeit zurückdrehen, noch einmal Kind sein, noch einmal sein wie damals?

Es gibt Extremsituationen, da reagiert unsere Psyche, als wäre das möglich. Eine alte Krankenschwester, die als junges Mädchen in einem Kriegslazarett an der Front eingesetzt war, hat mir vor Jahren einmal erzählt, dass viele schwer Verwundete damals nach ihren Müttern gerufen haben. Unbewusst sucht man in schwierigen Situationen offenbar Halt bei der Person, die einem zu allererst Halt und Sicherheit gegeben hatte, bei der Mutter. Psychisch kranke Menschen oder Patienten, die an der Alzheimer-Krankheit leiden, fallen manchmal über lange Zeiträume zurück in einen kindlichen Zustand. Solche Regression, solch einen inneren Rückschritt, meint Jesus freilich nicht, wenn er sagt, wir müssen neu geboren werden um das Reich Gottes zu sehen. Die Möglichkeit eines erfüllten, reichen Lebens liegt in der Gegenwart und in der Zukunft. Niemand muss sich dafür zurückverbiegen in die Zeit der Kindheit.

Also geht es um Wiedergeburt in einem anderen, womöglich esoterischen Sinn? Viele Leute finden ja Gefallen an der Vorstellung, einmal wiedergeboren zu werden, als eine ganz andere Person. Manche sind sogar der festen Überzeugung, dass sie noch Erinnerungen an vergangene Leben in sich trügen. Anders, so sagen sie, ließen sich bestimmte Fähigkeiten oder Kenntnisse gar nicht erklären. Ich gebe zu: die Vorstellung, im Sinne einer Reinkarnation mehrmals geboren zu werden, hat etwas Faszinierendes. Viel Unerklärliches lässt sich mit einer solchen Theorie scheinbar besser durchschauen. Die quälende Frage, warum ein Mensch es in seinem Leben so gut hat und ein anderer so schlecht, wird ganz einfach beantwortet: Du bekommst eben das, was du dir in deinem letzten Leben verdient hast: Hast du viel Gutes getan, gottgefällig gelebt, gutes "Karma", ein Konto positiver Gedanken und Taten, angesammelt, dann wird dir das eines Tages umgewechselt werden in ein neues, schönes Leben. Allein auf dich kommt es an, was zählt, ist deine Lebensleistung.

Jesus freilich sagt dem Nikodemus gerade das Gegenteil. Gar nichts kommt auf dich an, auf deine Leistung, auf deine guten Taten. Gott lässt sich davon doch nicht abhängig machen. Sein Geist, sein Lebensatem, weht, wo er will. Genau wie der Wind, so lässt sich auch dieser Geist nicht einsperren oder an ein bestimmtes Verhalten binden.

Du kannst dir das vorstellen, sagt Jesus, wie bei einer Geburt. Zu einer Geburt kann der oder diejenige, die geboren wird, nichts beitragen. Ganz ohne eigenes Zutun ist dein Leben entstanden. Niemals hast du dich bewusst dafür entschieden, auf die Welt zu kommen. Das Leben wird dir geschenkt. Es wächst dir zu im dunklen, verborgenen Mutterschoß und du kannst nichts, aber auch gar nichts dazutun zu diesem Wachsen. Du wirst nicht gefragt, ob du ein Mädchen werden willst oder ein Bub. Deine Eltern kannst du dir nicht aussuchen, deine Muttersprache nicht und weder Land, noch Zeit, worin du lebst. Längst sind die wesentlichen Koordinaten deines Lebens festgelegt, ehe du mit deinem Leben überhaupt richtig beginnst.      

Genau wie mit so einer körperlichen Geburt ist es auch mit der inneren, geistlichen. Wiedergeburt nennt Jesus sie. Dazutun, entscheiden, mitbestimmen oder sie gar erzwingen können wir nicht. Sie ist und bleibt ein Geschenk Gottes ohne jegliches Verdienst, ohne jede Kontinuität zum Bisherigen. Diese neue, geistliche Geburt ist weder Belohnung noch Strafe. Sie ist einfach eine neue, andere Lebensmöglichkeit, allein von Gott gewollt und geschenkt. 

Es gibt Leute, die ganz konkret von ihrer geistlichen Wiedergeburt reden können. Sie haben einmal ein so starkes Erlebnis mit Gott gehabt, dass seitdem alles anders ist in ihrem Leben. Paulus, der Apostel, war so einer. Er hat eine umwerfende Erfahrung mit Gott gemacht: Als er auf dem Weg nach Damaskus war, erschien ihm Christus. Das muss ein so einschneidendes Erlebnis gewesen sein, dass der fanatische Christenverfolger zu einem der glühendsten Verfechter des jungen Christentums geworden ist. Kein Wunder, dass Paulus sagen kann: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden." (2 Kor 5,17)

Aber nicht alle von uns haben ein so eindrückliches Wiedergeburts-Erlebnis. Es wäre schlimm, würde man eine solche Erfahrung zu Voraussetzung erheben, damit sich jemand Christ nennen darf. Mir gefällt die Aussage Jesu, dass der Geist Gottes eben weht, wo und wie er will. Deshalb ist es für mich auch kein Problem, dass ich in meinem Leben bislang noch keine derartige Wiedergeburts-Erfahrung gemacht habe. Paulus selbst ist der Meinung, dass es noch ganz andere Wege gibt. Er kann ebenso gut sagen: "Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert." (2 Kor 4,16b) Das entspricht eher der Art, wie ich mein Dasein erlebe. Wiedergeburt, Erneuerung - nicht als ein einziges Wahnsinns-Erlebnis, sondern als einen Weg, einen Prozess im Inneren. Dabei gibt es schon Tage, die mir in ganz besonderer Erinnerung sind. Da habe ich das Gefühl, heute hat Gott etwas ganz Neues mit mir angefangen. Tage, an denen bin ich mir vorgekommen wie neu geboren. Von solchen Momenten kann ich reden. Und von meinem Glauben, dass solche Momente etwas zu tun haben mit Gott.

Gerade zwanzig Jahre alt war ich, mit einem Freund unterwegs in die Berge. Ein strahlend heller Tag, im Autoradio spielen die Beatles. Da plötzlich ein Krach. Wir drehen uns wie ein Kreisel. Das Auto wird von der Straße geschleudert. Ich höre mich schreien. "So also endet dein Leben", denke ich noch. Aber es geschieht ein Wunder. Aus dem völlig verknautschten Wagen krabbeln wir beide heraus, beinah unverletzt. Schnell verwandelt sich der große Schreck in eine tiefe Dankbarkeit. Noch einmal davongekommen. Einen Schutzengel gehabt. Gott sei Dank. Ich erinnere mich gut, wie ich am nächsten Tag in die Uni gegangen bin. Jeden Menschen hätte ich umarmen können. Tausendmal hab ich erzählt, was passiert war. So wenig selbstverständlich schien es mir plötzlich, am Leben zu sein. Ganz intensiv habe ich alles um mich herum wahrgenommen. Und abends, da hab ich mit ein paar Freunden zusammen Geburtstag gefeiert, meinen Wieder-Geburtstag.

 Auch weniger dramatische und trotzdem intensive Erlebnisse von Erneuerung und Neuanfang gibt es. Gottesdienste gehören für mich häufig dazu. Da kann ich innerlich ablegen, was mich bedrückt und herunterzieht. Mir wird zugesagt, dass Gott einen Neuanfang mit mir macht. Wenn noch dazu der Pfarrer oder die Pfarrerin es versteht, mich anzusprechen, oder eine schöne Musik mich ergreift, dann kann es geschehen, dass in mir eine große Leichtigkeit, eine Zufriedenheit und Zuversicht einkehrt. Neu, heil und erfrischt verlasse ich die Kirche, froh darüber, dass es solche Orte der Erneuerung gibt.

Wiedergeburt kann an vielen Orten stattfinden, zu jeder Zeit und auf ganz verschiedene Weise. So wie leibliche Geburten ganz unterschiedlich sein können, so ist es auch mit geistlichen Neugeburten. Die einen passieren ganz plötzlich und dramatisch, völlig unvorbereitet trifft es einen, wie eine Sturzgeburt. Andere kündigen sich lange vorher an, gehen mit Schmerzen einher oder mit Angst. Dann ist man froh um Beistand, um Hebammen, Geburtshelferinnen, die dabeibleiben und mit ihrer Nähe Sicherheit geben. Wieder andere geistliche Geburten könnte man vergleichen mit einem Kaiserschnitt. Bewusstlos, ohne Gefühl für Schmerz und ganz taub ist die Gebärende. Es sind die Ärzte, die mit ihrer Kunst das neue Leben hervorholen. So gibt es Erneuerung auch, dass ein dritter mit seiner Erfahrung und seinem Geschick eingreift und dadurch jemand das Licht der Welt erblicken kann. Der Geist Gottes hat viele Möglichkeiten, etwas Neues zu schaffen. Er weht, wo er will. Nicht immer durch die breiten Schneisen, durch die Windkanäle und über freie Flächen. Nein, dieser Geist kann in die seltsamsten Winkel des menschlichen Daseins hineinwehen und dabei manches durcheinanderwirbeln.

Dem Nikodemus scheint das jedenfalls passiert zu sein. Zwar berichtet die Bibel nicht, wie es ihm unmittelbar nach seiner nächtlichen Begegnung mit Jesus gegangen ist. Mag sein, er hat damals wirklich nicht viel verstanden und ist einigermaßen verwirrt abgezogen. Doch scheint durch das Gespräch Bewegung in sein Leben gekommen zu sein. Ein ganz anderer Wind fing da plötzlich an zu wehen.

Kurz nach jener Nacht legt sich Nikodemus mit seinen Parteigenossen, den anderen Pharisäern, massiv an - gegen alle Fraktionsdisziplin. Die Kollegen planen, Jesus in einer Art Handstreich festzunehmen und möglichst schnell und unauffällig abzuurteilen. Nikodemus widerspricht. Er verlangt einen ordentlichen Prozess. Er will niemanden mehr voreilig in irgendwelche Schubladen stecken. Offen miteinander geredet und zugehört muss einander werden, ehe man eine Entscheidung treffen kann. Das hat Nikodemus verstanden.

Als Jesus später doch hingerichtet wird, tut der Pharisäer Nikodemus etwas ganz Erstaunliches: Er begleitet die Freundinnen und Freunde Jesu, als sie den Leichnam vom Kreuz abnehmen. Und nun ist er es, Nikodemus, der all das beisteuert, was zu einem würdenvollen Begräbnis gehört. Er besorgt kostspielige Öle, Harze und Duftstoffe. Damit werden die Leinentücher getränkt, in die der Leichnam eingebunden wird. Ein letztes Zeichen der Achtung und der Würdigung, was man einem Verstorbenen zukommen lässt, und zwar ganz öffentlich, am helllichten Tag. Es war nicht ungefährlich für den Pharisäer, das zu tun. Er riskierte, als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft oder gar als Anhänger des Gekreuzigten verfolgt zu werden.

Nikodemus hat das in Kauf genommen. Wichtiger als die Sorge um das Gerede der Leute war es ihm, seinem Gewissen zu folgen. Er traute sich, zu seinem Gefühl zu stehen. Wichtiger als seine Angst war ihm die Freiheit, zu tun, wonach ihm zumute war. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ein echter Neuanfang in seinem Leben!

So kann es einem gehen, wenn man sich anrühren lässt von religiösen Fragen. Wenn man sie zulässt und ihnen Raum gibt. Wenn man dem Heiligen Geist das Fenster nicht zuschlägt, sondern offen ist für einen frischen Wind im Leben. Wenn es dann soweit ist, dann muss man losgehen. Dann darf man nicht zögern, sondern muss sich aufmachen -  und sei es mitten in der Nacht.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, der alles neu macht.

Amen.

Pfrn. Uli Wilhelm, Predigt am 4.6.2023 in Partenkirchen (Trinitatis) und am 3.5. (Abendgottesdienst) in Burgrain

Predigttext: Johannes 3,1-8

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Wann oane si auf d’Kanzl wagt,
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der insgeheim scho‘s Messer schärft,
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Der mecht koa Kirchenliadl singa,
liaba alle zum Schweign bringa.

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Pfarrerin Uli Wilhelm
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Narrenpredigt 2023

Pfrn. Uli Wilhelm als Närrin
Bildrechte Archiv

Liabe Gemeinde, schaugts mi o:
Mit oam Arm steh i heuer do!
Da ander hängt, des is fei dumm,
nur passiv in da Schlinga rum.
Er braucht jetzt unbedingt sei Ruah,
sonst heilt da Bruch am End ned zua.
Des is fei scho a bissl Käse:
Heier is‘ nix mit Polonaise,
mit Tanzn und mit Maschkera.
Doch immerhin: Ihr seid’s ja da.
Und s‘ Mundwerk von da Pfarrerin,
des is ja schließlich no ned hin.
Wia des passiert is, möchts ihr wissen?
Beim Schifahrn hoid, da hat’s mi gschmissn.
Des hätt ma friara gor nix gmacht,

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Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

„14. Februar – Valentinstag!“ An jedem Blumengeschäft prangen derzeit rote Herzen mit dieser Aufschrift. Sie wollen uns erinnern: Das ist der Tag der Liebenden. Vergiss nicht, auch deinem oder deiner Liebsten eine Freude zu machen. Was ist aber – neben aller Geschäftemacherei - eigentlich dran an diesem viel beworbenen Tag?

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Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

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"Einundzwanzig fünfzig, bitte", sagt sie und "Danke!" als ich ihr das Geld gebe. Und dann verabschiedet sie mich mit einem Lächeln. Was für ein Unterschied! Um wieviel lieber habe ich heute hier eingekauft. Was ein bisschen Freundlichkeit und ein Dankeschön doch ausmachen, denke ich, und gehe viel beschwingter heim.

Du bist ein Gott, der mich sieht

Der Heilige Geist - Ausschnitt aus einem Kirchenfenster der Johanneskirche zu Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde, wenn Sie dem zurückliegenden Jahr 2022 ein Motto geben könnten, wie lautete das wohl? Für viele von uns war es kein einfaches Jahr. Der Krieg, knappe Ressourcen, Klimawandel, Artensterben, politische Radikalisierung und Spaltung unserer Gesellschaft. Und dazu manche Sorge und mancher Konflikt im eigenen kleinen Leben. Manchmal ist es schwer, das alles auszuhalten, ohne schwermütig zu werden. Unser Blick zurück auf das zu Ende gehende Jahr prägt ja auch unsere Aussicht auf das Kommende. Jede versuchte Antwort ruft neue Fragen auf den Plan.

ANgeDACHT - FOBO?

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Wissen Sie, was FOBO ist? So hat die New York Times ein Phänomen getauft, das heutzutage immer mehr Menschen zu schaffen macht: Fear of better options, die Furcht vor besseren Möglichkeiten. In der Flut der vielen Optionen können Menschen sich nicht mehr entscheiden, wie sie sich verhalten sollen. Sie haben Angst, irgendetwas Wichtiges übersehen oder nicht lange genug auf die ideale Möglichkeit gewartet zu haben. Sogar nach der Entscheidung suchen sie weiter.

Predigt zum Volkstrauertag 2022

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Liebe Gemeinde! Volkstrauertag 2022. Wir gedenken heute der Opfer von Kriegen und Gewalt. Nicht nur der Opfer, die auf unseren deutschen Kriegsdenkmälern stehen, sondern auch der Opfer anderer Kriege. Der Unterschied heuer: Der Krieg ist nahe gerückt, seit dem 24. Februar. Seit Russland die Ukraine überfallen hat, herrschen mitten in Europa herrschen wieder Terror, Angst, Zerstörung, Gewalt. Täglich zeigt der Krieg seine hässliche Fratze. Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine gehen uns nahe. Manchmal so, dass man sie kaum mehr erträgt. Aber was tun?

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Mahnwache am Bischofseck - 2022
Bildrechte Uli Wilhelm

John Lennon hat das 1969 gefordert. Sein Lied fällt mir manchmal ein, wenn ich in Garmisch die Kriegergedächtniskapelle besuche oder in Partenkirchen nach St. Anton hinaufsteige: Da blicken einen viele junge Gesichter an, manche sind noch halbe Kinder. Es sind Fotos der Soldaten aus unserem Ort, die nicht mehr zurückgekehrt sind aus dem Krieg. „Gefallene“ nennt man sie beschönigend. In Wirklichkeit sind sie verblutet, wurden ermordet, zerfetzt, hingemetzelt – für die abstruse Idee eines „Deutschland über alles“.

Seelenbalsam

Himmel über Garmisch-Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde, „Krisen, Krieg und Katastrophen – mit diesem Dreiklang lässt sich wohl am ehesten die gegenwärtige (welt-)politische Lage umschreiben. Schon die Pandemie hat wie in einem Brennglas Unwuchten und Handlungsbedarfe offengelegt, die vielfach schon davor vorhanden waren. All das verschärft sich gerade durch die multiplen Krisen dieser Zeit, was bei vielen zu Ohnmachtserfahrungen, Kurzatmigkeit und Verdrängungsprozessen führt. Wir alle brauchen Balsam für die Seele.“

ANgeDACHT - Tragfähige Brücken

Pfarrerin Uli Wilhelm
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Früher, so hört man manchmal, sei alles besser gewesen. Das mag für manche Dinge stimmen – für die Ökumene sicher nicht. Die blüht und wächst weltweit, auch bei uns in Garmisch-Partenkirchen. In diesen Tagen bereiten wir auch heuer wieder ökumenische Gottesdienste für den Reformationstag und den Buß- und Bettag vor. Wir freuen uns darauf! Nicht immer haben unsere Kirchen freilich so gut zusammengearbeitet. Das weiß ich aus der eigenen Familiengeschichte:

ANgeDACHT - Der HERR ist meines Lebens Kraft

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

„Ehrlich gesagt, mir graut vor dem neuen Schuljahr“, klagt die Lehrerin. Etliche Kollegenstellen konnten nicht besetzt werden, sie wird viel vertreten müssen. Dabei braucht sie doch schon viel Extra-Energie, Zeit und Geduld für die ukrainischen Kinder, die jetzt neu in der Klasse sitzen.

„Mir graut vor dem Winter“, sagt ein Mann, der nicht gerade einen dicken Geldbeutel besitzt. „Wenn die Energiepreise weiter steigen, kann ich meine Nebenkosten nimmer stemmen. Was soll dann werden?!“

Ruhe nach dem Sturm. Von göttlichen Berg-Momenten der Stille

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Liebe Gemeinde, es gibt Augenblicke, die werden uns zu inneren Schätzen. Von denen zehren wir noch lang. Erlebnisse in den Bergen gehören für mich dazu. Ein Sonnenaufgang während eines Aufstiegs zum Beispiel. Ganz langsam wird der Himmel im Osten heller, ein zartes Grau zuerst, eine erste Ahnung davon, dass die Dunkelheit nicht ewig dauert, dann ein tiefes Lila, später flammendes Rot, leuchtendes Orange - und endlich spitzt die Sonne wie ein riesiger funkelnder Diamant hinterm Horizont hervor.

Vom Wert des Loslassens: Glaube und Gelassenheit als Lebenskunst

Pfarrerin Uli Wilhelm
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Das kleine Mädchen steht da, die Hand seiner Mama fest umklammert. Da drüben sitzt Papa. Er lockt: „Komm her zu mir. Trau dich. Los!“ Mama bewegt sich nicht. Da lässt die Kleine ihre Hand los. Wackelig und ein wenig taumelnd stürzt sie schwankend auf ihren Vater zu. Der fängt sie lachend auf. Das Wunder ist geschehen: Das kleine Menschlein hat seine ersten selbständigen Schritte gemacht!

ANgeDACHT - Kostbar wie ein wunderbares Kirchenfenster

Pfarrerin Uli Wilhelm
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Im Urlaub waren wir heuer in Burgund im Herzen Frankreichs. In seiner hügeligen Landschaft verbergen sich wunderschöne Orte mit großartigen, teilweise uralten Kirchen. Für die Stadt Auxerre verspricht unser Reiseführer etwas Besonderes: In der Abtei Saint Germain gibt es eine Kirche, deren Wurzeln bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen, mit einer Krypta aus Karolingischer Zeit. Die wollen wir sehen. Doch wir staunen nicht schlecht, als wir an einer Kasse Eintritt bezahlen müssen.

ANgeDACHT - Nebel leben

Spiegelglatt liegt das Wasser im Raum, der in grünes Licht getaucht ist. Auf Holzstegen bewegen sich die Menschen langsam vorwärts. Plötzlich ertönt ein Zischen: aus zahlreichen feinen Düsen wird mit hohem Druck Wasser gepresst. Nebel entsteht. Er hüllt die Menschen ein, zuerst ganz, dann sinkt er ab. Jetzt ragen nur noch die Köpfe der Leute aus dem Nebel. Wie eine vielköpfige grüne Raupe sieht das aus. Ich selbst werde Teil dieser Nebelskulptur. Und staune über die Ideen der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya.

Bewegen und Segen - Warum wir gerne dabei sind

Bewegen & Segen
Bildrechte Uli Wilhelm

Einmal monatlich treffen wir uns, um gemeinsam in der Natur unterwegs zu sein. Geistliche Impulse, Gedankenaustausch, Schweigen und Begegnung wechseln sich dabei ab. Die Gehzeit beträgt ca.anderthalb Stunden. Auch Ungeübte sind willkommen. Selbstverständlich halten wir die Corona-Regeln ein.

Wir haben Menschen gefragt, was ihnen an der Veranstaltung gefällt.

Was für eine Geschichte, diese Ostergeschichte!

Pfauenauge in der Erlöserkirche zu Grainau
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Gemeinde! Haben Sie den letzten Satz aus der Ostergeschichte gehört? Die Frauen sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. Das erste Ostern war also erst mal offenbar gar nichts besonders Tolles. Ein Ereignis zum Fürchten eher. Den Frauen ist es unheimlich, dass der tote Jesus nicht mehr im Grab liegt. Das kann, das darf doch nicht wahr sein! Und dann dieser seltsame weiß gekleidete Jüngling, der etwas daherredet von Auferstehung?! Das ist schon was zum Zittern und Entsetzen!

Dieser anarchische, wilde Glaube

Als ich einer alten Dame die Hand reiche und „Frohe Ostern“ wünsche, sieht sie mich kritisch an: „Wie kann dieses Ostern froh sein, wo doch wieder Krieg herrscht in Europa?!“ schleudert sie mir entgegen und erzählt, wie sehr die Bilder aus der Ukraine sie belasten und deprimieren. Längst verschüttete Kindheitserinnerungen werden wach: an zerbombte Städte, verzweifelte Menschen, Todesangst im Bunker. Was in unserem Land so lang zurück liegt, ist in Kiew und Charkiw bittere Realität. Tag für Tag. Auch an diesem Osterfest. Die Dame hat recht: Das ist alles andere als froh.

Ostern: Gottes neuer Weg

Der auferstandene Jesus in der Johanneskirche (Ausschnitt aus einem Kirchenfenster)
Bildrechte Martin Dubberke

„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!“ So endet manches Märchen. Als Kind schon haben wir gelernt: Wer gestorben ist, lebt nimmer. Tot ist tot. Mit dem Tod ist alles aus und vorbei. Da gibt es kein Zurück mehr. Das ist eine felsenfeste, unumstößliche Wahrheit. Punkt.

Themenpredigt - Maria Magdalena

Liebe Gemeinde! Eine Frau ändert ihr Leben. Das bisherige Spiel spielt sie nicht mehr mit. Couragiert tut sie, was ihr niemand zugetraut hätte. Nicht nur ihren guten Ruf setzt sie aufs Spiel, sondern ihr Leben. Denn es geht ihr um die Wahrheit. Und um Wahrhaftigkeit. Sie muss tun, was sie tut. Das macht sie berühmt, auf der ganzen Welt und lässt sie zum Vorbild für viele werden.

Von wem spreche ich? Erraten Sie es?

ANgeDACHT - Teilmächtig

Seit über drei Wochen herrscht nun schon Krieg in Europa. Die Bilder und Berichte, die uns aus der Ukraine erreichen, verstören und entsetzen uns täglich aufs Neue. Auf die Frage „Wie geht’s?“, kann kaum mehr jemand mit „gut“ antworten. Wie soll es einem gut gehen, wenn Menschen derart leiden müssen? Berechtigt ist die Sorge vor weiterer Eskalation. Angst macht sich breit. Mitunter fühlen wir uns wie das Kaninchen vor der Schlange: schockiert, erstarrt, ohnmächtig und unfähig, noch irgendetwas Vernünftiges zu tun.

ANgeDACHT - Stern über Bethlehem

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. (Jesaja 9,1)

Diese Verheißung des Propheten Jesaja gefällt mir. Am Ende des zweiten Pandemiejahres leiden manche unter Blindheit, Verblendung, seelischer Dunkelheit oder finsteren Machenschaften. Verschwörungstheorien, Hass und Aufrufe zur Gewalt erschrecken Menschen guten Willens. Der Friede in unserer Gesellschaft ist fragil geworden. Risse gehen mitten durch Familien.

ANgeDACHT - Herbstsegen

Was für ein Herbst! In allen Farben leuchten die Bäume. Im Wald entdecke ich knallrote Hagebutten und letzte Pilze, im Garten kugeln glänzende Kastanien herum. Eine Zeit der Fülle, der Düfte, Farben und Geschmäcker. „Herbst“ und das englische Wort „harvest“ hängen sprachlich zusammen: Der Herbst ist die Zeit der Ernte.

ANgeDACHT - Erntedank einer Bergsteigerin

"Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert", dichtet Lothar Zenetti, "für den Sonnenschein und das Rauschen der Blätter, die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen, für den Schnee und den Wind, den Vogelgesang und das Gras und die Schmetterlinge, für die Luft, die wir geatmet haben, und den Blick auf die Sterne und für all die Tage, die Abende und Nächte. Einmal wird es Zeit, dass wir aufbrechen und bezahlen. Bitte die Rechnung. Doch wir haben Sie ohne den Wirt gemacht: Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht, soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen!"

ANgeDACHT - Freiräume

„Schönheit entfaltet sich nur im freien Raum. Nur im freien Raum sind Ereignisse, Gegenstände und Menschen unwiederholbar, unersetzlich und bedeutungsvoll – und deshalb auch schön. Ein Baum wird bedeutungsvoll, wenn man ihn vor der leeren Fläche des Himmels betrachtet. Ein Ton in einem Musikstück gewinnt an Bedeutung, wenn er zwischen zwei tonlosen Pausen steht. Eine Kerzenflamme blüht im Raum der Nacht …“ (aus: Anne Morrow Lindbergh, Muscheln).

DER BERG RUFT - Forum Berge und Religion

Wankkreuz
Bildrechte Uli Wilhelm

Das Werdenfelser Land ist als Teil der Alpenregion ein paradiesischer Fleck auf dieser Erde. Tausende Menschen wissen dies zu schätzen. Nicht nur jene, die hier leben und arbeiten, sondern auch die vielen Skifahrer, Bergsteiger, Kletterer, Mountainbiker und Wanderer, die nach Garmisch-Partenkirchen und Umgebung kommen, um hier die Natur zu genießen, Bergsport zu treiben, sich zu entspannen und zu erholen.

ANGeDACHT - Das Prinzip Hoffnung

„Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht warum und von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter, so ist er Furcht. Einmal zog einer weit hinaus, das Fürchten zu lernen. Das gelang in der eben vergangenen Zeit leichter und näher, diese Kunst ward entsetzlich beherrscht. Doch nun wird … ein uns gemäßeres Gefühl fällig. Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“