Loslassen - Voraussetzung für Veränderung

Pfarrerin Irene Konrad
Bildrechte Hanns-Martin Hager

Noah, Abraham, Isaak und Jakob, Josef …. Das Alte Testament ist voll von „Loslass-Geschichten“: Noah muss alles zurücklassen und in die Arche. Abraham wird von Gott aus Haran weggeschickt, Jakob flieht vor seinem Bruder zu seinem Onkel, Isaak zieht wegen einer Hungersnot nach Gerar und Josef wird nach Ägypten verschleppt. Keiner von ihnen macht sich freiwillig auf den Weg.  Aber ohne Abschied kein Neuanfang: Auf dieser Welt gibt es nichts, was wir behalten können. „Wir haben hier keine bleibende Stadt“ (Hebräerbrief 13,14) Doch Abschied nehmen, aufbrechen ins Unbekannte fällt immer schwer, genauso wie den Menschen der Bibel:  Auch Mose möchte lieber bei seinen Herden in Midian bleiben, anstatt als Held sein Volk aus Ägypten zu führen. Auch das gerettete Volk Israel ist völlig überfordert, als es sich plötzlich in der Wüste wiederfindet. Im 2.Buch Mose, 16 jammern sie: „Wären wir doch durch die Hand des HERRN im Land Ägypten gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung! Denn ihr habt uns in diese Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung an Hunger sterben zu lassen.“  

Das Vergangene wird verklärt und die Veränderung, wegen der wir ja schließlich aufgebrochen sind, die haben wir uns auch anders vorgestellt. „Wenn wir das gewusst hätten…“

 Aber auch diese Vorstellungen müssen wir – ob wir wollen oder nicht „loslassen“.

Für die Israeliten damals wie für uns gilt: Wir sind nun mal genau da, wo wir eben gerade sind. Auch wenn es wehtut. Wir können weder in der Vergangenheit noch im Konjunktiv leben.  Ich bin nicht mehr oder noch nicht da, wo ich gerne wäre. Aber wie kann ich genau jetzt – im übertragenen Sinne – meinen Hunger stillen? Wie kann ich meinem „Jetzt“ begegnen und es so annehmen, dass daraus ein gutes Morgen wird?
In der lebensbedrohlichen Wüsten- Situation müssen sich die Israeliten entscheiden, diese Situation als gottgegeben hinzunehmen. Sie befinden sich in einer von Gott initiierten Veränderung. Er hat sie aus Ägypten geführt, um sie ins gelobte Land zu bringen. Warum geht es ihnen dann so schlecht?

Auch wir dürfen wissen, wenn wir in Veränderungsprozessen drinstecken:  Wenn es schlecht läuft und wir in einer metaphorischen Wüste stehen, heißt das noch lange nicht, dass wir auf dem falschen Weg sind und Gott unterwegs verloren haben. Im Gegenteil: Selbst der Weg ins gelobte Land kann gepflastert sein mit Unsicherheit und Mangelerscheinungen.

Loslassen braucht Vertrauen

Wenn ich den Schritt in die Wüste gehe (oder in sie hineingeworfen werde), muss ich darauf vertrauen, dass Gott es gut mit mir meint und weiß, wo ich hingehöre. Er will mich nicht in die Versklavung, sondern in die Befreiung – mein persönliches gelobtes Land – führen. Er wird mich auf dem Weg durch die Wüste mit dem Wichtigsten versorgen, damit ich nicht zwischendurch verhungere. Den Israeliten fällt es schwer, darauf zu vertrauen, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. Als Gott ihnen Manna und Wachteln als Nahrung zusichert, hängt er das an eine simple Bedingung:

Sie sollen nur so viel einsammeln, wie sie für genau einen Tag brauchen.

Für ein hungerndes Volk, das sich nach Sicherheit sehnt, ist das zu viel verlangt. Natürlich sammeln sie mehr ein, um sich für die Zukunft abzusichern. Die Ungewissheit ist schwer auszuhalten. Wie oft hindert uns die Angst daran, Veränderungsprozesse anzugehen und sie aktiv zu gestalten: Was, wenn es schiefgeht? Was, wenn ich nicht genug haben werde? Wo soll ich wohnen, was soll ich essen, werde ich Freunde haben und überhaupt….

Gott verspricht uns zwar an vielen Stellen, dass er uns mit allem versorgen wird, was wir brauchen (die wohl bekannteste Stelle: Matthäus 6,26–34, die Geschichte von den Lilien auf dem Felde), er verspricht aber nirgendwo, dass wir seine Versorgung im Voraus bekommen. Er gibt uns genau so viel, wie wir jetzt brauchen. Das erfordert viel Mut und ein Loslassen des eigenen Sicherheitsbedürfnisses. In der Veränderung sind wir zu 100 Prozent auf Gott geworfen und nicht mehr auf uns selbst.

Das Falsche festzuhalten, führt zum Verfaulen

Was mit dem Manna passiert, als die Israeliten versuchen, es festzuhalten, ist symptomatisch: Es bekommt Würmer und wird faul. Sie wollen etwas festhalten, das nur für den einen Tag, für den sofortigen Verbrauch gemacht ist. Wir können an vielen Stellen beobachten, was passiert, wenn man festhält, was nur für den Augenblick gemacht ist: Die Dinge werden schal und manchmal auch richtig faul: Promis, die ihr eigenes Älterwerden nicht akzeptieren wollen und durch Botox & Co. wie eine verzerrte Karikatur ihrer selbst aussehen, Traditionen, die längst sinnentleert nur noch krampfhafte Wiederholungen sind und völlig aus der Zeit gefallen scheinen.

„Alles hat seine Zeit“, mahnt der Prediger.  Im Fluss des Lebens, im Laufe des Lebens muss ich immer wieder Dinge oder auch Verhaltensweisen loslassen. Nicht weil sie grundsätzlich schlecht sind, sondern weil sie jetzt nicht mehr passen. Ich muss das Vergangene nicht verurteilen oder per se für schlecht erklären. Mit Dankbarkeit die Hand öffnen und loslassen. Auch wenn das manchmal richtig schwer ist. Es wird wahrscheinlich immer wehtun, wenn die Dinge vorüberziehen, wenn etwas zu Ende geht.   Aber die Neuausrichtung, das Loslassen kann zu einem Akt der Befreiung werden, weil ich mich unbelastet dem Neuen zuwenden kann. Nur so kann ich neue Lösungen für neue Probleme finden, die es so noch nie gab.

Und wenn es schwierig wird: denken wir an die Wachteln und das Manna!

Tageslosung

Liturgischer Kalender

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Aktueller Feiertag:

21.04.2024 Jubilate

Wochenspruch: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Kor 5,17)
Wochenpsalm: Ps 66,1–9
Predigttext: 2. Kor 4,14–18


Der nächste hohe kirchliche Feiertag:

09.05.2024 Christi Himmelfahrt

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Unser Gemeindebrief im Sommer 2022

Loslassen - Voraussetzung für Veränderung

Pfarrerin Irene Konrad
Bildrechte Hanns-Martin Hager

Noah, Abraham, Isaak und Jakob, Josef …. Das Alte Testament ist voll von „Loslass-Geschichten“: Noah muss alles zurücklassen und in die Arche. Abraham wird von Gott aus Haran weggeschickt, Jakob flieht vor seinem Bruder zu seinem Onkel, Isaak zieht wegen einer Hungersnot nach Gerar und Josef wird nach Ägypten verschleppt. Keiner von ihnen macht sich freiwillig auf den Weg.  Aber ohne Abschied kein Neuanfang: Auf dieser Welt gibt es nichts, was wir behalten können.

Musik und Musiker*innen im Sommer und im Herbst 2022

Schmid-Orgel in der Johanneskirche zu Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Chöre und Instrumentalgruppen sind auf regelmäßiges Proben unter guten Bedingungen angewiesen. Dies war in den Coronazeiten nicht möglich und das hat Spuren hinterlassen. Hinzu kommt das Phänomen, dass der Wert der regelmäßigen Arbeit von so vielen Ehrenamtlichen, die für Ihre Gemeinden und die Kirchenmusik erstaunlich viel Zeit und Mühe einsetzen, die sich einer notwendigen Verbindlichkeit ihres Ehrenamts unterwerfen, von vielen Verantwortlichen kaum gesehen oder wenig wertgeschätzt wird - und das in einer Zeit des Verfalls des kirchlichen Lebens!

Loslassen - Müssen

Kreuz an der Johanneskirche in den Farben der Ukraine
Bildrechte Martin Dubberke

Mein Name ist Marina. Ich komme aus einer kleinen Stadt im Osten der Ukraine (Region Kharkiv, Distrikt Kupyansky, Stadt Kovsharovka) , die laufend unter der Besatzung der russischen Föderation steht.

Ich habe lange Zeit in Kyiv gelebt, dort wurde ich vom Krieg, der am 24.2. 2022 begann, am Vorabend meines Geburtstags überrollt.

 

KRIEG

Dieses Wort verband ich in meinem Kopf immer mit Geschichte...! Mit Ereignissen, über die man in Büchern lesen und im Kino Filme sehen konnte.

Loslassen - Gelassenheit aus der Perspektive des Umweltteams

Grüner Gockel - Logo
Bildrechte ELKB

Durch Umweltschutz beugen wir Naturkatastrophen vor. Je mehr Wälder abgeholzt werden, desto mehr ändert sich das Klima. Wenn es immer weniger Bäume gibt, dann kann auch weniger CO2 umgewandelt werden. Die Tiere verlieren ihren Lebensraum. Dürreperioden, Waldbrände und Hurrikane sind die Folgen, die aus der Abholzung entstehen, das bekommen wir ja bereits zu spüren. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt ist wirklich schnelles Handeln erforderlich.

Loslassen, um anzukommen

Martin Dubberke, 1986 als Student mit seiner KiGo-Gruppe vor der Hochmeisterkirche in Berlin
Bildrechte Martin Dubberke

Und er sprach zu ihnen: „Kommt, folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.

Matthäus 4, 19f

So war das mit den ersten Jüngern. Sie waren Fischer am Galiläischen Meer, lebten ihren Beruf und ihr Leben. Genau das war ihr Lebensplan: Gute und erfolgreiche Fischer zu sein. Doch dann kam Jesus und sagte: „Folgt mir!“ Und sogleich ließen sie alles stehen und liegen und folgten ihm nach.

Sterben als letztes Loslassen

Pfarrerin Birgit Schiel
Bildrechte Pfarrerin Birgit Schiel

Der alte Mann liegt röchelnd im Bett, schwach blickt er aus trüben Augen. Seine Gesichtsfarbe ist grau gelb. Seine Tochter sitzt erstarrt daneben, dann bricht es aus ihr heraus: „Jetzt stirbt er bald!“ Ihr Bruder herrscht sie an: „Sag doch sowas nicht!“ Der Hof hängt dran am Leben des Vaters. Die Sicherheit der Kinder.

Vom Wert des Loslassens: Glaube und Gelassenheit als Lebenskunst

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Das kleine Mädchen steht da, die Hand seiner Mama fest umklammert. Da drüben sitzt Papa. Er lockt: „Komm her zu mir. Trau dich. Los!“ Mama bewegt sich nicht. Da lässt die Kleine ihre Hand los. Wackelig und ein wenig taumelnd stürzt sie schwankend auf ihren Vater zu. Der fängt sie lachend auf. Das Wunder ist geschehen: Das kleine Menschlein hat seine ersten selbständigen Schritte gemacht!

Der neue Gemeindebrief kommt...

Pfr. Martin Dubberke
Bildrechte Martin Dubberke

Liebe Leserinnen und Leser, in Kürze erscheint unser neuer Gemeindebrief, der auch hier auf unserer Internetseite Text für Text erscheinen wird. Dieses Mal steht er unter dem Motto "Loslassen". In den vergangenen beiden Jahren hat sich vieles in unserem Leben geändert. Wir mussten von vielem Gewohnten loslassen. Aber was bedeutet es, wenn wir von Dingen, Gewohnheiten, Orten, Menschen oder Lebensplanungen loslassen oder gar loslassen müssen? Dieser Frage gehen wir in dieser Ausgabe nach.