ANgeDACHT - Lass dich nicht vom Bösen überwinden - oder: "Ohne meinen Hass..."

Diakon Ralf J. Tikwe
Bildrechte Johannes Dubberke

"Du denkst, du gehst zum Fußballspiel – und am Ende war das der schwärzeste Tag", so erinnert sich Bastian Schweinsteiger an den 13. November 2015 in Paris. Inmitten des Freundschaftsspiels zwischen Frankreich und Deutschland verstärken laute Knallgeräusche das ohnehin mulmige Gefühl dieser Tage, die von Terrordrohungen begleitet waren.

Tatsächlich detonieren Sprengsätze vor dem Stadion, insgesamt an fünf unterschiedlichen Plätzen bringen Attentate in dieser Nacht Angst und Schrecken. 130 Menschen überleben die schrecklichen Anschläge nicht.

Die meisten Opfer sind bei einem Rockabend im bekannten Konzertsaal „Bataclan“ zu beklagen. Gut 1000 Menschen feiern dort ausgelassen mit der amerikanischen Band „Eagles of Death Metal“, darunter auch Hélène.

Sie ist Maskenbildnerin, glückliche Mutter von Melvil und seit 12 Jahren mit dem Kulturredakteur Antoine Leiris verheiratet. Antoine hatte eine Auszeit genommen um einen Roman zu schreiben, das Leben tischte ihm ein ungeahnt „schweres Lebenskapitel“ auf. Der Überfall auf das Konzert kostete 89 Menschen das Leben, darunter auch seine Hélène.

Schreckliche Bilder, Wut, Verzweiflung und Hass dominieren die Nacht, die Medien, die sozialen Netzwerke, die Tage danach und manche Herzen. Antoine kann seine Hélène noch einmal sehen und findet Worte, die Schmerz benennen und in der Kraft der Liebe dem Impuls der Rache widerstehen: „Ich weiß nicht, wer ihr seid. Und ich will es nicht wissen. Ihr seid tote Seelen. Wenn der Gott, für den ihr blind tötet, uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann muss jede Kugel, die den Körper meiner Frau getroffen hat, eine Wunde in sein Herz gerissen haben.“ 

Die Tageszeitung „Le Monde“ setzte einen Tag nach dem Attentat seine berührenden, bewegenden und hilfreichen Zeilen auf ihre Startseite. Inmitten einer verständlich aufgeheizten Stimmung setzen die Worte des trauernden Ehemanns einen heilsamen Impuls:

„Wir sind zwei, mein Sohn und ich, aber wir sind stärker als alle Armeen dieser Erde …Er ist gerade mal 17 Monate alt …und sein ganzes Leben wird dieser kleine Junge euch beleidigen, indem er glücklich und frei ist. Denn nein, auch seinen Hass werdet ihr nicht bekommen.“

Ich muss an das Wort aus dem Römerbrief (12, 21) denken: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Bei einer Trauerfeier nach einem erschütternden Mord hatte ich diesen Vers gewählt, weil er mir Halt und Orientierung gab und ich hoffte, dass er diese Kraft auch für Familie, Freunde und Kollegen entfalten kann.

Lass dich nicht vom Bösen überwinden. Gib dem erfahrenen Schmerz nicht die zerstörerische Kraft der Rache und ohnmächtigen Wut. Trau der Überwindungskraft deiner erfahrenen und gelebten Liebe mehr als dem Reflex, der im Zurückschlagen letztlich die Gewalt, das Böse, triumphieren und letztlich stetig wachsen lässt.

In diesen Tagen gedenken wir der unzähligen Toten menschenverachtender Kriege. Das Gedenken soll nicht den Impuls erfahrener Feindschaft wachhalten oder gar verstärken, es hat dann zukunftsträchtige Kraft, wo es für die Überwindung von Feindbildern und für eine Zukunft in Frieden eintritt und wirkt – ganz im Sinne von:

Meinen Hass bekommt ihr nicht!

shalom ralf j. tikwe