ANgeDACHT -„Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel“

Auf dem Weg nach Ostern
Bildrechte Birgit Schiel

In der brütenden Mittagshitze reitet ein Mann auf die Stadt zu. Der kleine Esel, auf dem er sitzt, trippelt tapfer über die vor Hitze flimmernde Straße. Nur ein paar Mantelstücke dienen als Sattel. Der Blick des Mannes ist zu Boden gesenkt, sein Gewand einfach. Ein ärmlicher, bescheidener Anblick. Weit bevor die beiden an die glänzenden Stadttore gelangen, sieht man zahlreiche Menschen am Straßenrand. Sie rufen laut, noch kann man nicht verstehen, was. Einige haben Zweige von den heiligen Palmen geschnitten und recken sie die in Luft. Es sieht aus, als ob ein wandernder Wald neben der Straße eine unruhige Rast macht. Einige haben ihre Mäntel
auf der Straße ausgebreitet. Nicht einer der Menschen hat seinen Fuß auf die Straße gesetzt. Alle drängen sie sich am Rand. Die Straße ist reserviert für den, der da
kommt. Für den König, den Herrscher, der von Gott gesandt ist. Sie warten auf den bescheidenen Mann. Sie werden ihm einen triumphalen Einzug bereiten. 

Der Esel reitet zwischen den ersten Menschen hindurch. Sie breiten die Palmzweige, das Zeichen des siegreichen Königs, unter seine Füße. Wie im Rausch schreien die Menschen. Ihre Hoffnungen, ihr Sehnen nach Gerechtigkeit und Freiheit, ihre Wut über das erlittene Unrecht und Leid, brechen sich Bahn. Er muss es sein, er muss sie retten. Er muss. Wie könnte man sonst weiterleben? „Hosianna – hilf doch! Du bist König!“


Ein grüne Straße der Hoffnung, die nach Jerusalem hineinführt. Der Blick des Mannes geht weiter. Seine Augen sehen den grünen Teppich, auf dem er erwartet wird. Sie sehen weiter, bis zum Stadttor, hinter dessen Mauern er mit seiner Botschaft die Menschen gegen sich aufbringen wird. Sie sehen bis zum Schädelhügel, auf dem er sein Ende finden wird. Sie sehen bis zum Kreuz. Er kehrt nicht um, lässt den grünen Teppich der Hoffnung nicht hinter sich zurück. Er sieht weiter. Er sieht Ostern vor sich. Mit einem leichten Druck der Schenkel treibt er sein Lasttier weiter. Das treue Tier trägt ihn, hindurch zwischen den Menschen, die ihn bejubeln, vorbei an seinen Henkern, auf sein Schicksal zu.

Ihre Pfarrerin Birgit Schiel

Unser Spendenkonto

Sparkasse Oberland
IBAN: DE52 7035 1030 00180 22004
BIC: BYLADEM1WHM

Mehr Texte von Pfrn. Birgit Schiel

Video-Ostergruß aus Garmisch-Partenkirchen

Ostergruß 2021
Bildrechte Martin Dubberke

Vor einem Jahr, als wir in all unsren Kirchen zu Ostern die Glocken mut- und kraftvoll läuten ließen und danach Christ ist erstanden bei offenen Fenstern und Türen auf unseren Orgeln gespielt haben, haben wir alle gehofft, dass wir die Pandemie bis Ostern 2021 überwunden hätten. Doch auch in diesem Jahr hat uns die Pandemie noch nicht losgelassen und bestimmt unser Leben. Doch in diesem Jahr können wir wieder Gottesdienste feiern, wenn auch noch nicht singen. 

ANgeDACHT - Normale Reaktionen auf eine unnormale Situation

Pfarrerin Birgit Schiel
Bildrechte beim Autor

Ich erinnere mich an einen Einsatz aus meiner Zeit als Notfallseelsorgerin:

Es ist mitten in der Nacht, als der laute Alarm losgeht. Ein Brand auf einem Bauernhof. Niemand ist verletzt, aber die Rinder im Stall sind tot. Ich frage mich durch beim Einsatzleiter, bis ich zu den Hofbesitzern komme. Die Familie ist in der Küche. Einer Mann sitzt ganz ruhig da, sagt kaum einen Ton. Eine Frau zittert, weint, klagt laut. Ein weiterer rennt auf und ab, schimpft.