Liturgie - Alttestamentliche Lesung

Liturgie 18 - Alttestamentliche Lesung
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Im evangelischen Gottesdienst bildet – wie gesagt - der Abschnitt der Wortverkündigung den zentralen Kern, der sich aus mehreren Texten zusammensetzt, die der Predigt vorangehen oder ihr zugeordnet sind. Die Gestaltung dieses Teils folgt einem bewährten Muster: Es umfasst in der Regel mehrere Lesungen, deren Anzahl zwischen zwei und vier variieren kann, gefolgt von der Predigt als Antwort auf das Gehörte.

Historisch betrachtet war die alttestamentliche Lesung schon in den frühen Gemeinden von großer Bedeutung, insbesondere in solchen mit jüdischer Herkunft, wo prophetische Schriften und das Gesetz einen festen Platz hatten. In späteren Jahrhunderten entwickelte sich eine feste Ordnung mit Lesungen aus dem Gesetz, den Propheten, den neutestamentlichen Briefen (Episteln) und dem Evangelium. Diese liturgische Praxis fand ihren Niederschlag in unterschiedlichen Perikopenordnungen, die thematisch aufeinander abgestimmt waren und sich in unterschiedlichen Kirchenregionen unterschiedlich ausprägten.

Hoppla! Was ist eine Perikope und was ist eine Perikopenordnung? Das Wort Perikope stammt aus dem Griechischen und heißt „abgeschnittener Teil“. Diese abgeschnittenen Teile sind Textabschnitte aus der Bibel. Die Lesung dieser Textabschnitte folgt keiner durchgängigen, linearen Abfolge – also einer sogenannten Lectio Continua -, sondern sind als thematisch ausgesuchte Textabschnitte – sprich Perikopen - gestaltet, die verschiedene Aspekte des Glaubens beleuchten. Insgesamt gibt es sechs Perikopenreihen, so dass man immer nur alle sechs Jahre über den gleichen Text predigt.

Die alttestamentliche Lesung ist die erste der vier traditionellen Lesungen im evangelischen Gottesdienst und verweist entweder prophetisch auf das Kommen Christi oder thematisiert grundlegende Glaubensinhalte.  Sie verbindet die Gemeinde mit dem jüdischen Ursprung der Heiligen Schrift und bewahrt den Aspekt der Verheißung und des Heilsplans Gottes in der kirchlichen Verkündigung. Auch wenn auf die Lesung aus dem Alten Testament um der Einheit der biblischen Botschaft nicht verzichtet werden sollte, wird sie heute in den meisten Gottesdiensten ausgelassen.

Die Perikopenreform, die zum 1. Advent 2018 stattfand, hat das gewissermaßen ausgeglichen, da sie nun deutlich mehr alttestamentliche Predigttexte aufgenommen hat.  Alttestamentliche Predigttexte waren bis zur Reform im Verhältnis zum Neuen Testament unterrepräsentiert. Lag der Anteil alttestamentlicher Predigttexte bei etwa einem Sechstel aller Predigttexte, sind heute nun rund ein Drittel aller Predigttexte aus dem Alten Testament. Damit wird das vielfältige Zeugnis der hebräischen Bibel stärker sichtbar und das Spannungsverhältnis zwischen Verheißung und Erfüllung wird durch neue thematische Akzente ergänzt. Gleichzeitig wurden nun auch Psalmen erstmals als Predigttexte aufgenommen und die Auswahl insgesamt erweitert, um mehr unterschiedliche Stimmen und Lebensgeschichten in die Predigt einzubinden.

Die Alttestamentliche Lesung wird von einer Pfarrperson oder einem Lektor oder einer Lektorin gelesen, der die Lesung mit den Worten beschließt: „Wort der Heiligen Schrift.“ Die Gemeinde antwortet darauf: „Gott sei Lob und Dank.“

Pfr. Martin Dubberke