Liturgie – Eröffnung und Anruf – Das Confiteor

Liturgie - 8 - Confiteor
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Im vorangegangenen Abschnitt haben wir uns das Vorbereitungsgebet angeschaut, das auch als Sündenbekenntnis bezeichnet wird. In diesem Kapitel wollen wir uns das liturgische Element Sündenbekenntnis oder auch „Confiteor“ noch einmal ein wenig genauer anschauen, denn ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich mit dem Thema Sünde, dem Bekennen der Sünde und auch der sich daraus ergebenden Buße und somit Umkehr, in unseren Zeiten ein wenig ausführlicher zu beschäftigen. Mein Eindruck ist, dass wir mehr und mehr das Thema Beichte und damit Sünde aus unserem Leben verdrängt haben. Ja, uns zuweilen gar nicht mehr trauen, das Wort Sünde überhaupt in den Mund zu nehmen. Dabei ist gerade der Umgang mit Sünde und der Vergebung ein zentraler Aspekt unseres Glaubens. Ehrlicherweise muss ich auch zugeben, dass ich die Bezeichnung dieses Teils der Liturgie „Der Mensch vor Gott“ schon immer schwierig gefunden habe, weil das ein Versuch ist, das Wort „Sünde“ und „Ich bekenne“ zu vermeiden. Und was heißt das Lateinische „confiteor“ anderes als „Ich bekenne“ resp. „Ich gestehe“.

Der evangelische Theologe Konrad Müller hat ein Buch mit dem Titel „Das Confiteor – Studien zu seiner Gestalt und Funktion im Gottesdienst sowie im Leben der Kirche“ geschrieben. Auch er stellt hier einen fundamentalen Wandel fest:

„Das Confiteor, das dialogisch gestaltete Sündenbekenntnis zu Beginn des Gottesdienstes, hat mich beschäftigt, seit ich (…) in den kirchlichen Dienst eingetreten bin. Allzu deutlich brachte die Art, wie mit diesem überkommenen liturgischen Element umgegangen wurde, zum Ausdruck, dass in den evangelischen Kirchen Deutschlands ein kultureller und theologischer Wandel im Gange war, der einen großen Umbruch im kirchlichen Leben anzeigt.“ (Müller, 2021, S. 5)

Also, was ist nun das Confiteor und was sind seine Wurzeln? Liturgisch betrachtet hat es seinen Ursprung im mittelalterlichen römischen Bußakt. Im Rahmen der Reform der Agende hat die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) es in eine Form gebracht, die heute als Vorbereitung auf die Begegnung mit Gott dient. Daher auch die Bezeichnung „Der Mensch vor Gott“. Mit dem „Ich bekenne meine Schuld“ machen sich die als Gemeinde im Gottesdienst Versammelten ihre eigene Schuld bewusst. Mit der Bitte um Vergebung findet an dieser Stelle eine Überleitung in einen versöhnten Gottesdienst statt.

Im ökumenischen Kontext betrachtet, stellt sich hier eine Verbindungslinie dar, denn das heutige Confiteor im Evangelischen Gottesdienst lässt sich in direkter Linie auf den dialogischen Bußakt in der Messliturgie des 9. Jahrhunderts zurückführen.

Die typische evangelische Confiteor-Variante besteht aus drei Elementen:

  1. Einem einleitenden Bekenntnissatz: „Ich bekenne…“ (confiteor), der in aller Regel vom Liturgen oder der Liturgin gesprochen wird.
  2. Einem gemeinsam gesprochenen Optativ-Gebet – also Wunsch-Gebet - um Vergebung: „Der allmächtige Gott erbarme sich unser…“ und
  3. Dem abschließenden „Amen“ der Gemeinde.

Und warum ist nun dieses Sündenbekenntnis zu Beginn des Gottesdienstes so wichtig? Eine Antwort auf dieses Frage finden wir bei Dietrich Bonhoeffer.  In seinem Buch „Gemeinsames Leben“ schreibt er über die gemeinschaftsstiftende Kraft der Beichte:

 »Bekennet einer dem andern seine Sünden" (Jac. 5,16). Wer mit seinem Bösen allein bleibt, der bleibt ganz allein. Es kann sein, daß Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebetes, trotz aller Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, daß der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft nicht erfolgt, weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, als die Sünder. (…) In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem Menschen allein sein. Sie entzieht ihn der Gemeinschaft.“ (Bonhoeffer, 2002, S. 93 f.)

Wahre Gemeinschaft entsteht also nicht allein durch gemeinsame Frömmigkeit, Andacht und Gebet, sondern wird erst dort vollendet, wo wir unser Menschsein in all seiner Unvollkommenheit offenlegen. Erst so wird Gemeinschaft nicht nur als gemeinsamer Glaube erfahren, sondern als gelebte Heilsgemeinschaft.

CONFITEOR

Liturg/Liturgin: Herr, unser Gott, du hast uns reich beschenkt – mit Glauben, Hoffnung und Liebe, mit Gaben, Aufgaben und Möglichkeiten.

Wir bekennen vor dir, dass wir nicht immer treu mit dem umgehen, was du uns anvertraut hast: Wir schweigen, wo wir reden sollten, wir halten zurück, wo wir teilen könnten, wir meiden Wege des Mutes und der Gerechtigkeit.

Vergib uns unser Versagen und erneuere uns durch deinen Geist, damit wir verantwortungsvoll leben, treu in deinem Dienst stehen und deiner Liebe Raum geben in dieser Welt.

DER MENSCH VOR GOTT

L: Darum bitten wir dich um Jesu Christi willen.

An dir, Gott, sind wir schuldig geworden und bitten dich um Vergebung: Herr, erbarme dich.

Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn,

Gemeinde: …der Himmel und Erde gemacht hat.

HINFÜHRUNG

L: Ich traue deiner Gnade
und gebe mein Leben ganz in deine Hand. Mach du mit mir,
wie es dir gefällt und wie es gut für mich ist.
Ob ich lebe oder sterbe,
ich bin bei dir, und du bist bei mir, mein Gott. Herr, ich warte auf dein Heil und dein Reich.

(Bonhoeffer, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 8: Widerstand und Ergebung, 1998, S. 208)

"Gott sei mir Sünder gnädig"

G: Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er vergebe uns unsere Sünde und führe uns zum ewigen Leben.

GNADENZUSPRUCH 

L: So spricht Christus: Dir sind deine Sünden vergeben. Lebe aus meiner Gnade und geh gestärkt in diesen Tag.

G: Amen.

Pfr. Martin Dubberke