Als ich vor kurzem angekündigt habe, dass die Serie Kirchenausstattung nach 42 Folgen zu Ende ginge, bat ich gleichzeitig um Vorschläge für eine neue Serie. Und so erreichte mich eine Mail von Christine, in der sie vorschlug, dass ich doch etwas über Liturgie und das Beten schreiben könnte. Ich fand die Idee klasse. Ich erlebe das ja immer wieder am eigenen Leibe, dass es auch in unserer Gemeinde verschiedenen Umgang mit der Liturgie gibt oder wo man aufsteht oder sitzenbleibt, wo man antwortet oder nicht antwortet. Ich halte ja in der Regel zwei Gottesdienste am Sonntag. Wenn ich in Garmisch oder Farchant oder Burgrain den gleichen Gottesdienst halte wie in Partenkirchen, so stehen die Gottesdienstbesucher an einem Ort auf und am anderen Ort bleiben sie sitzen. Oder – ich denke hier nur an das Confiteor – an einigen Orten sprechen sie das „Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er vergebe uns unsere Sünde und führe uns zum ewigen Leben“, mit und anderen spreche ich es alleine.
Ja, Christine, Du hast vollkommen recht, dass wir jetzt mal über die Liturgie miteinander sprechen sollten. Doch zuerst einmal muss ich vielleicht die Frage beantworten, was denn Liturgie überhaupt ist. Emotional gesehen, ist Liturgie für mich wie ein Wohnzimmer, in dem ich mich sicher bewegen kann, womit ich mich wohlfühlen kann, das dem Gottesdienst Struktur und mir Orientierung gibt. Läuft die Liturgie nicht so, wie ich es kenne und gewohnt bin, wie es aufgeschrieben ist, merke ich, dass es mir schwerfällt, sich auf den Gottesdienst einzulassen, weil mir die Wegmarken verloren gegangen sind. Also, was ist Liturgie?
Mit der Liturgie ist es ähnlich wie mit der Kirchenausstattung. Jedes Element der Liturgie hat eine Bedeutung. Die Liturgie ist gewissermaßen mit der Kirchenausstattung ein geistliches Gesamtkunstwerk. Das Wort selbst kommt aus dem Griechischen. leitourgía (λειτουργία) bedeutet im Grunde genommen nichts anderes als „öffentlicher Dienst“, als Dienst für und mit dem Volk. Setzt sich doch das griechische Wort aus zwei Begriffen zusammen: laos = Volk und ergon = Dienst. Der Begriff der leitourgía setzte sich erst im 9. Jahrhundert als Begriff für den christlichen Gottesdienst durch. Aus leitourgía wurde dann mit der Zeit das lateinische liturgia. Martin Luther übersetzte leitourgía ganz bewusst als zwei Worte „Gottes Dienst“. Damit hob er hervor, dass der Gottesdienst in erster Linie ein Geschenk Gottes an den Menschen ist und erst in der Antwort der Gläubigen vollendet wird.
Und wozu ist nun Liturgie gut? – Sie hat die Aufgabe, Menschen in ihrer Anbetung, Dankbarkeit, Bitte und Sühne zusammenzuführen und so eine Begegnung mit Gott zu ermöglichen. Sie schafft einen Raum außerhalb des profanen, des alltäglichen Alltags, in dem die Gemeinde:
- Gott anbetet und seine Herrschaft anerkennt
- Dank sagt für Gottes Gaben und seine rettende Tat in Christus
- im Vertrauen um Hilfe und Erbarmen bittet
- in Sühne das stellvertretende Opfer Christi gegenwärtig macht
Darüber hinaus erleichtert die Liturgie die achtsame Begegnung mit Gott, indem sie durch festgelegte Abläufe und Rituale hilft, Gottes Wort aufzunehmen und den Glauben gemeinschaftlich zu feiern. So erfahren die Teilnehmenden in der Liturgie die Gegenwart Gottes und vertiefen ihre Beziehung zu ihm sowie zueinander.
Und damit bin ich bei einem zentralen Punkt angekommen. Liturgie ist wie eine Sprache. Ich muss sie verstehen können, um mit ihr zu leben und sie anzuwenden und einander zu verstehen. Und so, wie ich eine Sprache lernen kann, kann ich auch Liturgie lernen. Natürlich gibt es in dieser Liturgie auch jede Menge alte Worte, für die man neue Worte finden darf. Also lasst uns miteinander auf eine spannende Reise gehen.
Pfr. Martin Dubberke