Wer glaubt, dass in einem evangelischen Gottesdienst die Predigt der Höhepunkt sei, der irrt. Der eigentliche Höhepunkt des evangelischen Gottesdienstes ist die Evangelienlesung. Die Lesung des Evangeliums ist die letzte Lesung und bildet den Höhepunkt, weil das unmittelbare Wort Jesu am Schluss erscheinen soll. Das ist auch der Grund für die besondere Rahmung dieser Lesung durch den einleitenden und abschließenden Lobruf.
Im Evangelium erklingt die Stimme Christi selbst. Das Verlesen des Evangeliums dient nicht allein – sagen wir es mal so – der Information, sondern insbesondere der Stärkung des Glaubens und der motivierenden Anleitung zu einem christlichen Leben in Gestalt der Fleischwerdung des Wortes Gottes in Jesus Christus. Das ist auch der eigentliche Grund, weshalb bei der Streichung von Lesungen im Gottesdienst, das Evangelium durch keine andere Lesung ersetzt werden kann.
Ich sagte ja schon eingangs, dass die Lesung durch zwei Lobrufe gerahmt wird. Doch warum ist das so? Der Liturg leitet vom Ambo aus die Lesung des Evangelium in der Regel mit den Worten ein: „Das Evangelium steht geschrieben bei…“ Das gleicht dem gewissermaßen dem Protokoll, wenn der Zeremonienmeister das Eintreten des Königs ankündigt und sich dann alle Anwesenden erheben. Beim Evangelium ist das im Grunde genommen nicht anders. Die Gemeinde weiß nun, dass gewissermaßen Jesus selbst angekündigt wird und sich nun erhebt. Wir erinnern uns: Bei der Epistellesung blieb man sitzen, um sich auf den Text zu konzentrieren. Beim Evangelium steht man aus Respekt und Ehrfurcht vor dem lebendigen Wort Gottes auf. Und sollte die Gemeinde dieses nicht nach den einleitenden Worten tun, signalisiert der Liturg mit leicht ausgebreiteten Armen der Gemeinde, sich nun zu erheben.
Die Gemeinde reagiert auf die Ankündigung des Evangeliums nicht nur indem sie sich erhebt, sondern sie spricht auch noch: „Ehre sei dir, Herr.“ Diese Einleitung unterstreicht die Besonderheit und auch Heiligkeit des Evangeliums, das jetzt als Wort Jesu Christi in die Gegenwart der Gemeinde verkündet wird.
Und erst, wenn die Gemeinde diesen Lobruf gesprochen hat, beginnt der Liturg mit der Verlesung des Evangeliums vom Ambo aus. Im evangelischen Gottesdienst wird das Evangelium oft vom Pfarrer oder der Pfarrerin gelesen oder einem Lektor oder einer Lektorin.
In der Regel wird vom Vorlesenden die Lesung mit den Worten: „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“ abgeschlossen, worauf die Gemeinde dann mit dem abschließenden Lobruf: „Lob sei dir, Christus“ antwortet.
Dem Evangelium schließt sich das Credo, also das Glaubensbekenntnis an. Warum das so ist, erfahren Sie in der nächsten Folge.
Pfr. Martin Dubberke
