Liturgie - Eröffnung und Anrufung - Die Ouvertüre

Liturgie erklärt - 04 - Orgelvorspiel
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Eröffnung und Anrufung sind gewissermaßen der 1. Akt des Gottesdienstes. Die Glocken läuten, die Orgel oder ein Orchester oder Chor setzen mit der Musik ein. Das ist ein wenig wie im Theater. Der Gong signalisiert den Besucherinnen und Besuchern, dass nun alles anfangen wird. Deshalb wird auch dreimal vor der Vorstellung der Gong geläutet, so wie bei uns vor dem Gottesdienst dreimal geläutet wird. Das erste Mal eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes, dann eine viertel Stunde vorher und schließlich wenige Minuten vor dem Gottesdienst, damit die letzten Gottesdienstbesucherinnen und -besucher sich nun auch beeilen. In Partenkirchen an der Johanneskirche sind wir immer sehr kulant und läuten noch die ersten drei Minuten nach der offiziellen Startzeit des Gottesdienstes, damit die letzten, die noch in die Kirche eilen, nicht das Gefühl haben, zu spät zu kommen.

Die Glocken sind verklungen und nun setzt die Orgel oder ein Orchester oder auch der Chor oder alle zusammen ein. Das ist ein wenig wie die Ouvertüre in einer Oper. Im Evangelischen Gottesdienst hat das Orgelvorspiel einerseits eine ganz praktische Funktion und andererseits natürlich auch eine theologisch-liturgische. Wie die Ouvertüre in der Oper, Operette oder dem Musical dient das Vorspiel zur Einstimmung. Wie in einer Ouvertüre werden auch hier oft Themen aus dem jeweiligen Sonntag aufgenommen, wie zum Beispiel das Wochenlied und lassen schon den Charakter des Gottesdienstes erahnen, ob es eher heiter oder ernster wird. Gleichzeitig dient das Vorspiel der Sammlung und auch der Strukturierung des Gottesdienstes.

Im Detail gesehen, hat das Orgelvorspiel vier sehr wesentliche Aufgaben im Evangelischen Gottesdienst:

Einladung zur Sammlung und inneren Vorbereitung

So heißt es z.B. in der Handreichung für den Evangelischen Gottesdienst der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Die Musik vor dem Gottesdienst hat die Aufgabe, zur Sammlung einzuladen und in eine feierliche Stimmung zu führen.“ Das bedeutet, dass die Musik am Eingang den Übergang vom Alltag zur Feier des Gottesdienstes unterstützt und so eine Atmosphäre der Sammlung und Andacht schafft.

Eröffnung des Gottesdienstes als liturgisches Zeichen

Es ist die formale Eröffnung des Gottesdienstes und markiert den Beginn der liturgischen Handlung, noch bevor der eigentliche Gottesdienst mit der Begrüßung oder dem Eingangslied beginnt.

Thematische Einstimmung auf die Liturgie oder die Predigt

Das Orgelvorspiel ist oft thematisch auf den Gottesdienst abgestimmt – z. B. auf das Eingangslied oder Graduallied – also das Wochenlied - , den Bibeltext oder das Kirchenjahresfest. Es kann also auch zur musikalischen Auslegung oder Meditation über das Thema des Gottesdienstes werden. Damit besitzt das Vorspiel auch die Möglichkeit zu musikalischer Verkündigung (musica praedicat). Mit anderen Worten, das Orgelvorspiel orientiert sich an der Liturgie des jeweiligen Sonntags im Kirchenjahr und auch am Charakter des Gottesdienstes.

Ausdruck der geistlichen Dimension

Und schließlich ist die Musik – und das nicht nur am Anfang eines Gottesdienstes – Ausdruck der geistlichen Dimension. Martin Luther betrachtete die Musik als „Dienerin der Theologie“. Im Sinne der Reformation hat Musik im evangelischen Gottesdienst daher einen sehr hohen Stellenwert oder wie Luther es in einer seiner Tischreden mal gesagt hat: „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes, nicht ein Werk der Menschen.“

Pfr. Martin Dubberke