Gemeindebrief ONLINE - Geistliches Wort - Auf-brechen

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Ein Sonnenstrahl bricht den neuen Tag an nach dunkler Nacht. Ein Krokos bricht durch die Erde und kündigt den Frühling an. Ein Lächeln bricht eine finstere Miene auf.

Ein Mensch bricht auf und verlässt seine Heimat: Freiwillig? Unfreiwillig? Abenteurer? Oder Flüchtling?
Ein Schloss wird aufgebrochen: Ein Einbruch in ein Zuhause? Eine Befreiung aus einem Gefängnis?
Ein Grab steht offen: Einbruch von Dieben? Ausbruch des Auferstandenen aus dem Reich des Todes?
Auf-Bruch hat viele Facetten. Doch immer geht er mit Veränderung einher. Ob wir sie begrüßen oder ob wir zu ihnen gezwungen werden.

Auf-Bruch bedeutet auch immer, dass das Alte, Vergangene gebrochen wird. Es kann sich der Veränderung nicht verschließen, es wird auf-gebrochen.
Unser altes Leben wird gerade sehr gründlich von einem winzigen Virus aufgebrochen. Jeder merkt in seinem Alltag: meine alten Sicherheiten sind gebrochen. Klopapierängste, Hamsterkäufe, Corona-Brocken-Beschimpfungen in der Dorfgemeinschaft, jeder Husten löst ängstliche Blicke aus. Die Alten werden nicht mehr besucht, die Kranken womöglich nicht mehr ausreichend versorgt, die Kinder daheim allein. Alles scheint durchbrochen, jeder Alltag ist dahin.

Mir gefällt dir Angst und Panik so wenig wie jedem Menschen. Doch ich sehe auch, dass wir zuvor in falschen Sicherheiten gelebt haben. Dass es gut ist, aufgebrochen zu werden.

Wenn eine Veränderung eintritt durch einen Aufbruch, kann ich mich entscheiden, wie ich mich verhalten will:

  1. Ich kann den Kopf in den Sand stecken und versuchen, alles zu ignorieren. Die schleichenden Gefühle von Angst vor Veränderung durch zahlreiche Ablenkungen von mir fernhalten. Bis mich die Realität in den Hintern beißt und der Auf-Bruch gewaltsam und schmerzhaft wird. Keine Entscheidung zu treffen ist auch eine Entscheidung.
  2. Ich kann versuchen, den Kopf einzuziehen und möglichst wenig von diesem Aufbruch an mich heranlassen. Und wenn die Veränderung vorbei ist, so tun, als ob nichts gewesen wäre, möglichst so weitermachen wie bisher. Den Auf-Bruch nicht an mein Inneres heranlassen
  3. Oder: Ich stelle mich aufrecht dem Auf-Bruch. Stimme zu, mich aufbrechen zu lassen. Nehme den Schmerz der Veränderung auf mich. Und damit die Möglichkeit, dass aus dem Aufbruch etwas wirklich Neues wird. Ich willige ein, aufzubrechen. Und plötzlich wird aus dem passiven aufgebrochen werden ein aktives aufbrechen.

Aufbruch geht immer mit Veränderungen einher. Und Veränderungen machen erst mal Angst. Aufbruch ins Unbekannte. Aufbruch in mögliche Gefahren. Wir wissen nicht, was kommen wird. Doch als Christen vertrauen wir, wie Christus am Kreuz, dass Gott es letztlich gut mit uns meint.

Geben wir die alten, falschen Sicherheiten auf. Den falschen Glauben, Wohlstand und Frieden im Land und gehortete Renten hielten ewig und würden uns schon durchs Leben tragen. Was letztlich zählen wird, sind die Menschen um uns herum, denen wir vertrauen und die sich gegenseitig unterstützen.

Rufen Sie jetzt Ihre Nachbarn an, fragen Sie, wie es ihnen geht, ob sie Hilfe brauchen. Rufen Sie die Alten im Heim an. Irgendeinen. Stellen Sie Abends ein Licht ins Fenster und zeigen Sie den Menschen, auf der Straße, dass Sie beten für die Welt und Hoffnung haben. Rufen Sie bei dem „Offenen Ohr“ der Kirchen in der Region an. Teilen Sie Ihre Sorgen, teilen Sie Ihre Hoffnungen. Finden Sie keimfreie Wege, um aufzubrechen in eine neue, echte Gemeinschaft jenseits der Angst nur um sich selbst. Willigen Sie ein, selbst in diesen unfreiwillligen Aufbruch, stehen Sie aufrecht zu einer Veränderung, entscheiden Sie sich, aufzubrechen.

Vertraut den neuen Wegen,
auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen.
Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen
in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen.
Das Land ist hell und weit.

Pfarrerin Birgit Schiel