ANgeDACHT - Wie ernst nehme ich Gott eigentlich?

Pfarrerin Birgit Schiel
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Ich erinnere mich an einen Morgen in einer alten Gemeinde vor vielen Jahren. Ich hatte einen Kollegen, mit dem ich mich leider überhaupt nicht gut verstand. Und dieses Mal hatte er es richtig verbockt, ich war stinksauer und das zu Recht (es gibt keinen gerechten Zorn, aber es gibt gute Anlässe…). An diesem Tag sollten wir eine Dienstbesprechung halten und ich war in der Laune, Köpfe abzureißen. Ich fühlte mich völlig im Recht und rüstete mich mit Argumenten und Strategien. Vor dem Frühstück schlug ich noch die Tageslosung der Herrnhuter auf. Und ich dachte, Gott veräppelt mich, ausgerechnet heute! Die Tageslosung lautete „Liebe deine Feinde, segne sie und fluche ihnen nicht.“ Ich merkte, wie ich in einen Streit mit Gott geriet. „Aber ich hab doch Recht, auf ihn wütend zu sein, sieh dir nur an, was er mir wieder angetan hat.“ Und dann kamen noch einige andere, wesentlich gefährlichere Gedanken dazu: „Er hat es nicht verdient, dass ich ihm verzeihe.“ Und dann musste ich selbst inne halten. Denn wer, bitte schön, hat es schon verdient, die Vergebung, die Gnade, das Verzeihen.

Eigentlich niemand. Und eigentlich ich auch nicht. Und eigentlich bin ich auch nicht immer perfekt. Recht und Gerechtigkeit verlangten, auch diesem Kollegen eine Chance zu geben. Zur Vergebung war ich noch nicht bereit, aber ich dachte, ok, Gott, wenn du dir schon so einen Scherz mit mir erlaubst, dann bete ich wenigstens für diesen Menschen, so interpretierte ich zumindest das „segne deine Feinde.“ Ich tat mich wirklich schwer, etwas aufrichtig und ehrlich für den Kollegen zu wünschen (außer: Schenk ihm Hirn und Anstand…) und zu bitten. Mein Ärger funkte mir mindestens 15 Minuten dazwischen. Aber je länger ich damit rang, meinen Ärger zurückzudrängen und nach Ansatzpunkte zu suchen, wofür ich aufrichtig und ohne Zorn bitten konnte, desto mehr versetzte ich mich in den Kollegen hinein. Und fing an, Mitgefühl zu empfinden für seine Lage, seine Aktionen (die letztlich auch nur Ausdruck von Hilflosigkeit und Überforderung waren) und seinen Charakter. Und auf einmal war der Zorn weg und zurück blieben Mitgefühl und Ruhe. Und dann konnte ich wirklich und aufrichtig um Gottes Segen für den Kollegen beten. Mit der Liebe war es noch nicht so weit her und ist es auch nie geworden, aber ich kann aufrichtig sagen, dass nicht nur die Dienstbesprechung weniger blutig und kopfabreißend verlief, sondern auch das Dienstverhältnis nachher für mich viel geklärter war. Nicht, dass auf einmal alles gut war, das nicht, aber ich konnte mit viel mehr Ruhe und Distanz reagieren und das allein war es mir schon wert, denn wer will schon ständig gestresst herum rennen? Es gibt so ein schönes Sprichwort „Wer andere hasst/sich über sie ärgert, ist wie einer, der Gift schluckt und erwartet, dass der andere umfällt.“ Adrenalinmäßig ist da sicher viel dran… Hätte ich aber an diesem Morgen der Dienstbesprechung Gottes Wort nicht gehabt und hätte ich nicht darauf vertraut, dass Gott es damit gut mit mir meint, so wäre dieser Tag und dieses Dienstverhältnis wohl anders verlaufen. Und ich denke, nicht zum besseren. Daher stellt sich für mich immer wieder die Frage: Wie ernst nehmen wir Gott? Wie viel Autorität gestehen wir ihm zu über unser Leben, unser Verhalten, unsere Gedanken und Gefühle? Vertrauen wir ihm letztlich und glauben, dass es am Ende gut wird für uns, wenn wir uns an Gottes Wort halten? Oder lassen wir Gott bei unseren Entscheidungen lieber außen vor und er soll sich mal schön raushalten? Ich gestehe, ich bin lieber in guter Zwiesprache mit ihm, auch wenn ich mir manchmal veräppelt vorkomme und seine Gebote nicht immer leicht zu befolgen sind. Aber am Ende, darauf vertraue ich zutiefst, wird es gut dadurch.

Eine gesegnete, friedvolle Woche voller gute Zwiesprache wünscht Ihnen

Ihre Pfarrerin Birgit Schiel

 

 

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