KIRCHENAUSSTATTUNG: Folge 38 - Kirchenfenster - Das Licht Gottes

Kirchenfenster - Das Licht Gottes
Bildrechte Martin Dubberke

Wenn man bei sonnigem Wetter so um die Mittagszeit in die Johanneskirche kommt, kann etwas ganz Besonderes erleben. Dann scheint die Sonne durch die Altarfenster die Botschaft wie ein buntes Dia in den Raum. Die Taufe Jesu durch Johannes und das Erscheinen des Heiligen Geistes, sind dann fast wie in Drei-D im Raum zu sehen.

Das ist immer ein ganz besonderer Moment. Aber warum sind Kirchenfenster eigentlich bunt und erzählen oft Geschichten. Viele Kirchenfenster sind ja wie ein riesiges Bilderbuch oder eine Graphic Novel – würde man heute wohl sagen. Kirchenfenster sind mehr als nur eine Lichtquelle, sie erzählen Biblische Geschichten, Heiligengeschichte oder überhaupt Geschichten. Manchmal denke ich, dass wenn die Fenster einer großen Kathedrale fertig gewesen sind und man zum ersten Mal in die Kathedrale ging und sie durch das Sonnenlicht ihre ganze Wirkung entfalteten, es so gewesen sein muss, wie der erste Kinofilm in Farbe, ein lebendiges Ereignis, nur dass die Wirkung in der Kirche etwas anders auslöst als ein Kinofilm, nämlich ein Erkennen und Erleben der Größe Gottes. Die bunten Glasfenster in unseren Kirchen sind nicht nur eindrucksvolle Zeugnisse der Kunstgeschichte, sondern auch der Glaubensgeschichte, aber auch Konfessionsgeschichte.

Während in katholischen Kirchen das Narrative der mittelalterlichen Kirchen fortlebte, entwickelte sich mit der Reformation in der evangelischen Kirche eine ganz eigene Symbolsprache, die Wort und Abstraktion mehr und mehr in der Vordergrund rückte.

In der Hochphase der Glasfensterkunst der Gotik revolutionierten die monumentalen Bleiglasfenster in den Kathedralen die Lichtdramaturgie im sakralen Raum. Die Erzählung biblischer Geschichten und Heiligenlegenden nahmen auch die Menschen mit, die weder lesen noch schreiben konnten. Mit der Reformation erlebte dann aber die Glasmalerei einen dramatischen Einschnitt. Luther selbst ging auf eine kritische Distanz zu bildlichen Darstellung. So sagte er 1531 in einer Predigt: “Bilder und Gemälde in Kirchen sind nichts als Spielwerk, das den Menschen hinlenkt von der wahren Lehre Gottes und statt der Schrift bloße Augenlust bietet.” Das war gewissermaßen ein Paradigmenwechsel, der dazu führte, dass in vielen mittelalterlichen Kirchen, die nun evangelisch geworden waren, die mittelalterlichen Fenster entfernt wurden. Oftmals traten dann ihre Stelle Schriftzitate oder heraldische Motive.

Sieht man sich die ursprünglichen farbigen Fenster in der Johanneskirche an, so finden sich hier lauter Wappen. Es sind die Familienwappen der Sponsoren, die den Bau der Johanneskirche einst unterstützt haben. Bis Anfang der Achtziger des vorigen Jahrhunderts waren die Altarfenster der Johanneskirche einfaches Glas. Also ganz in der Tradition der Reformation. Erst 1984 wurden im Chor die heutigen Fenster eingebaut, die die Geschichte der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer erzählen. Auffallend ist hier das intensive Blau des Flusswassers des Jordans, also des Taufwassers. Und genau an dieser Stelle wird eine ökumenische Schnittstelle zur Lichtsymbolik der Gegenwart deutlich. Es gibt zwar unterschiedliche Bildtraditionen, aber konfessionsübergreifende Motive. Das Blau des Taufwassers ist dafür ein typisches Beispiel. Die überirdische Farbwirkung, die katholische Kirchenfenster stärker intendieren, korrespondiert hier mit der Interaktion von Wort und Licht. Auch wenn in den Chorfenstern kein einziges Wort vorkommt, so strahlen die Chorfenster auf das Wort. Das Blau strahlt in den ganzen Chorraum und fließt von dort gewissermaßen über die Altarbibel in das Kirchenschiff. Der Pfarrer oder die Pfarrerin auf der Kanzel oder am Altar steht, wenn Sonne und Fenster miteinander eine Einheit eingehen, gewissermaßen im Jordan und auch die ganze Gemeinde sitzt im Jordan und wird so an die eigene Taufe und damit das Empfangen des Heiligen Geistes erinnert. Die Fenster in der Johanneskirche werden auf diese Weise zu einem spirituellen Erlebnis wie einst die monumentalen Glasfenster in den gotischen Kathedralen.

Pfarrer Martin Dubberke